ZWEI CASES, DREI TIPPS: SO GELINGT ALLYSHIP IM UNTERNEHMEN
Erinnerst Du Dich auch noch lebhaft an die flammende Rede von Alexandria Ocasio-Cortez zum Vorfall “Ted Yoho”? Das Sofagate-Statement von Ursula von der Leyen rief sie in uns wach. Außer, dass die US-demokratische Kongressabgeordnete und die EU-Chefin zwei unübersehbare Role Models sind: Was haben ihre Geschichten gemeinsam? Dieser Beitrag taucht in beide Cases ein und widmet sich den Themen Role Models und Allyship: Wie können Unternehmen sie gezielt herstellen? Wie können wir Allies für andere sein?
„What makes a decent Man?“
“I am here to stand up to say this is not acceptable”, so Alexandria Ocasio-Cortez vergangenen Sommer in ihrer Rede im Repräsentantenhaus. Was war passiert? Ted Yoho, damals republikanischer Kongressabgeordneter, hatte sie in Anwesenheit vieler – unter anderem von Journalist*innen – als “ekelhaft” und “F*** B***” bezeichnet.
Vor wenigen Wochen sprach Ursula von der Leyen diese inzwischen berühmten Worte vorm Europaparlament: „Ich fühlte mich verletzt und allein gelassen. Als Frau und als Europäerin“. Der Grund? Man hatte ihr beim Staatsbesuch in der Türkei einen Sofaplatz abseits vom EU-Ratspräsidenten Michel und dem türkischen Präsidenten Erdogan zugewiesen, die dagegen einander zugewandt auf zwei Sesseln saßen. Was verbindet diese beiden Vorfälle?
No.1: Beide Situationen fanden vor vielen Menschen statt
Menschen, die alles klar vor Augen hatten und die gesprochenen Worte auch deutlich vernahmen, sich aber entschieden, nicht einzuschreiten. „Mr. Yoho was not alone“, berichtete AOC. Sein Kollege Roger Williams und auch zahlreiche Journalist*innen waren zugegen. Auch Ursula von der Leyen war in großer Gesellschaft. Wie reagierte ihr Kollege, der EU-Ratspräsident Charles Michel? Er nahm direkt neben dem türkischen Präsidenten Platz und ließ es geschehen. Warum? Weil er fürchtete, die “Monate intensiver Arbeit” mit einer Gegenreaktion zu zerstören. Später entschuldigte sich Michel. Er habe seitdem nicht mehr gut geschlafen, teilte er in einem Interview mit. 150 Mal habe er die Szene in seinem Kopf durchgespielt.
No. 2: Beide Frauen sprachen für sich und andere Frauen
Beide Vorfälle verbindet, dass sie durch das Fehl- oder gänzlich ausbleibende Verhalten ihrer Kollegen ausgelöst wurden. Sowohl von der Leyen als auch AOC reflektierten die Situation und sprachen im Anschluss öffentlich für sich selbst. Und für andere Frauen.
Warum ist das so? AOC’s Erklärungsversuch bezieht sich auf ein altes Verhaltensmuster. Die herablassende Sprache gegenüber Frauen existiere weiterhin, weil sie kulturell akzeptiert werde. Ähnlich argumentierte auch die spanische Sozialdemokratin Iratxe García Pérez zum Fall Sofagate: “Viele werden denken, dass es gar nicht so schlimm war. Und genau das ist das Problem”, sagte sie vor dem Europaparlament. Es dürfe nicht wieder passieren und es sei an der Zeit, dass die Europäische Union ihr Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter unter Beweis stelle, so Pérez.
Okay. So, what makes a decent man?
Was hätte Michel zur Ally seiner Kollegin und damit zum Role Model gemacht? Und wie hätte er dadurch auch diplomatisches Geschick beweisen können?
Was lernen wir daraus? Sowohl Frauen als auch andere marginalisierte Gruppen sollten in diskriminierenden Situationen nicht immer für sich selbst einstehen müssen. Es braucht braucht vorbildliche Allyships und Role Models. Joe Biden macht es vor: Er spricht sich explizit für Frauen, LGBTIQ+ und BIPOC aus. Wie er wohl reagiert hätte, wenn Vice President Kamala Harris ein Sofaplatz abseits von ihm zugewiesen worden wäre? Aber vielmehr noch: Was kann jede*r einzelne*r von uns tun? Wie können wir Allies und damit auch Role Models für andere sein? Und wie können Unternehmen intern vorbildliche Allyships bilden?
DREI HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR AUTHENTISCHE ALLYSHIPS
Inclusion und Belonging entstehen im Unternehmen vor allem durch authentisches Allyship. Erst das Bewusstsein und Vertrauen darauf, dass Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen Verbündete sind und füreinander einstehen, schafft die wahre Verankerung von Belonging.
1. See something, say something
Rassismus und Diskriminierung sind inakzeptabel. In Situationen, in denen Menschen marginalisiert werden, neutral zu bleiben, macht uns automatisch zu Mitschuldigen. Das zu verstehen, ist für viele Menschen unangenehm. Sie zeigen den Opfern lieber erst nach einem Vorfall und unter vier Augen ihr Mitgefühl. Wesentlich effektiver sind aber Intervention, Support und damit Allyship an Ort und Stelle. “Greifen Sie ein und machen Sie klar, dass auch Sie sich von der Situation angegriffen fühlen”, so HBR. “Erklären Sie, dass derartige Kommentare oder Handlungen nicht akzeptabel oder repräsentativ für Ihre Organisation sind.”
2. Be a Champion: Gebe anderen eine Bühne
“Wo sind die Frauen?”, fragte Miranda vor einigen Jahren bei einem Panel, das aus einem rein männlichen Line-up bestand. Einer der Panelisten, Andrew Grill, Global Managing Partner bei IBM, überließ ihr daraufhin seinen Platz. Zum einen statuierte er damit als Ally ein klares Exempel zur Unterstützung der Geschlechtervielfalt auf der Bühne. Zum anderen gab er sie Miranda. In seinem Artikel “I Gave Up My Seat at an All-Male Panel to a Woman — And More Men Should Do the Same” schreibt er detailliert darüber.
Wie können wir eine Allyship bilden? Wie uns für unterrepräsentierte Kolleg*innen und Gruppen aus unserem Arbeitsbereich einsetzen? Zum einen, indem wir sie empfehlen. Auch wenn wir eine an uns gestellte Frage ebenso so gut beantworten oder einen Auftrag genauso gut wie sie abwickeln könnten. In Meetings können wir ihnen direkt Credits für ihre Ideen geben, sie vorschlagen, wenn es um Aufstiegsmöglichkeiten im Unternehmen geht, sie und ihre Leistungen immer wieder in Gesprächen mit anderen erwähnen und auch das, was wir von ihnen gelernt haben. In ihrem Buch “Better Allies: Everyday Actions to Create Inclusive, Engaging Workplaces” gibt Karen Catlin weitere erprobte Handlungsempfehlungen.
3. Educate yourself: Bildung und Sensibilisierung
Sich mit Diskriminierung und strukturellem Rassismus auseinanderzusetzen ist der erste Schritt. Der nächste ist, darüber nachzudenken, inwiefern wir selbst durch unser eigenes Nicht-/Verhalten Diskriminierung aufrechterhalten. Eine Leitfrage ist: Was kann ich tun, um den Arbeitsplatz fair und einladend zu gestalten? Diese Frage können wir ebenso uns selbst, aber auch Mitarbeiter*innen aus unterrepräsentierten Gruppen stellen. “Bitten Sie sie zunächst um Erlaubnis”, rät HBR. “Wird sie erteilt, gehen Sie mit Bescheidenheit und einer lernenden Einstellung heran.”
Oberstes Gebot? Zuhören. Wird uns als Ally von einer diskriminierenden Situation erzählt, ist es wichtig, den Betroffenen zunächst zuzuhören und ihnen zu glauben. Ohne ihren Bericht zu hinterfragen, so HateAid, eine gemeinnützige Organisation gegen Hassrede im Internet. Über die Hindernisse zu sprechen, mit denen unsere Kolleg*innen tagtäglich konfrontiert sind, sensibilisiert und schafft das dringend benötigte Verständnis.
Unternehmen, die individuelle Maßnahmen ergreifen und aktiv Allyships bilden, können positive organisatorische Veränderungen schaffen und Mitarbeiter*innen langfristig binden. Fällt es im Unternehmenskontext aber nicht leicht, angemessene Räume und Strukturen für solche Situationen zu schaffen, kann externe Diversity-Beratung gezielt helfen. Die Expert*innen unserer Strategie- und Managementberatung ACI Consulting unterstützen Unternehmen dabei, Identifikation zu schaffen und darüber hinaus Diversity und Allyship im Unternehmen zu verankern.