Als Mitglied der Geschäftsleitung in Bremen verantwortet Sabine Niemeyer bei der Deutsche Bank AG das Geschäft mit vermögenden Kund*innen in der Region Niedersachsens von Bremen, Osnabrück über Bielefeld bis nach Münster. Ihre berufliche Laufbahn startete die Bankbetriebswirtin in den frühen 90ern bei der Dresdner Bank in der Region Hannover und wechselte 1999 zur Deutschen Bank. Dort arbeitet sie seitdem in verschiedenen Führungspositionen im Relationship Management für Privatkund*innen. Nicht nur ihrer 13-jährigen Tochter will Sabine ein authentisches Vorbild sein. Auch als Marktgebietsleiterin ist sie ein praxisnahes Vorbild für inklusive Führung und setzt sich insbesondere stark dafür ein, mehr Frauen dazu zu ermutigen, in Führungspositionen einzutauchen. Mit ihr sprachen wir unter anderem über ihre Rolle als Vorbild, ihre persönlichen Herausforderungen, die Quote sowie ihr Verständnis von New Work und Leadership.
Sabine, in deiner Position bist du für viele Mädchen und Frauen ein Vorbild. Wie fühlt sich das an? Und wie verstehst du diese Rolle für dich?
Sabine Niemeyer: Dass ich ein Vorbild bin, musste ich mir selbst erst einmal bewusst machen. Schließlich geht man nicht durchs Leben und sieht sich als Vorbild. Aber irgendwann habe ich doch realisiert, dass ich für viele Frauen bei uns im Hause ein Vorbild bin und seitdem mir das richtig bewusst ist, kann ich in dieser Rolle auch etwas bewegen. Wenn man sich klarmacht, welche Chance darin liegt, vor allem auch jüngere Frauen mit auf die Reise zu nehmen, zu ermutigen und vielleicht auch als Mentorin oder Ratgeberin zu dienen, dann macht es sogar sehr viel Spaß, ein Vorbild zu sein.
Frauen in Führungspositionen werden besonders beobachtet. Allen voran deswegen, weil sie leider nach wie vor in der Minderheit sind. Damit geht einher, dass häufig mehr von ihnen erwartet wird, dass sie es besser machen und sich zugleich noch für Gleichberechtigung und Diversity einsetzen sollen. Werden an Frauen in Führungspositionen andere und vor allem höhere Erwartungen gestellt als an Männer?
Sabine: Ja, ich glaube, das ist so. Gerade beim Thema Diversity geht der „Strauß der Verantwortung“ in Führungsteams gerne an die Frauen. Das habe ich auch jahrelang so erlebt: Wenn es darum ging, sich für Diversity zu engagieren, bestimmte Ziele zu erfüllen oder Themen nach vorne zu bringen – ging der Blick automatisch auf mich.
Ich habe es auch oft so empfunden, dass ich mich immer ein bisschen mehr behaupten muss und auch mehr durchsetzen muss. Inzwischen ist das nicht mehr so. Aber gerade am Anfang meiner Karriere haben insbesondere die älteren Männer in meinem Team sehr viel kritischer auf das geschaut, was ich als junge Frau hinbekomme. Am Ende sind wir stets gut miteinander zurechtgekommen, was das Wichtigste und das Ermutigende daran ist.
In Zukunft kommen viele neue Trends auf uns zu wie New Work und damit verbunden vor allem die Idee von New Leadership. Dabei geht es vor allem auch um die Bedeutung von Empathie beziehungsweise von emotionaler Intelligenz. Was ist Deine Erfahrung: Ist Empathie wirklich die magische Zutat für gute Führung?
Sabine: Ich glaube: Jein. Magisch ist vielleicht nicht das richtige Wort dafür, aber Empathie ist mit Sicherheit hilfreich. Ohne geht es nicht. Man braucht die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, alleine um sich zu überlegen, wie man sein Gegenüber abholt. Bei uns in der Deutschen Bank ist das ein bisschen einfacher, weil wir Empathie im Geschäft mit unseren Kund*innen ohnehin brauchen. Aber in der Führung ist Empathie generell enorm wichtig, weil sie dabei hilft, nicht zu erwarten, dass alle so ticken wie man selbst und dass es unterschiedliche Positionen gibt. Nicht jeder muss es gut finden, Karriere zu machen, in die Führungsarbeit zu investieren und sich für andere einzusetzen. Deshalb glaube ich, dass Empathie wichtig ist, aber es ist nicht die eine Zutat, die dann ausreicht.
Empathie kann manchmal auch ein Stolperstein sein. Wenn ich sehr viel Verständnis für eine Situation habe, die es zu klären gilt, muss ich trotzdem einen Lösungsweg finden. Da braucht es dann auch Entschlusskraft, Entscheidungsfreude, Kommunikation, Klarheit im Auftreten, Durchsetzungsstärke – für gute Führung sind also sehr viel mehr Eigenschaften nötig als „nur“ Empathie.
Soft Skills wie Empathie werden ja tendenziell eher Frauen zugeschrieben. Findest du, dass Frauen bessere Leader sind als Männer?
Sabine: Das ist eine gemeine Frage. Ich habe tatsächlich viele großartige Frauen als Führungskraft erlebt. Auch wenn ich an das Führungsteam denke, das ich zuletzt über mehrere Jahre verantwortet habe, dann hatten die Frauen darin tatsächlich diese Skills und alles hat wunderbar funktioniert. Waren sie deshalb besser als die männlichen Kollegen? Nein, das waren sie nicht. Sie waren super, aber ich glaube, es ist nicht richtig und zu einfach, wenn man das nur dem Frausein zuschreibt.
Ich habe in meiner Laufbahn durchaus auch andere Beispiele erlebt, wie etwa Frauen, die von sich selbst erwartet haben, besonders taff zu wirken. Die hatten vielleicht Empathie, haben sie aber gut versteckt. Darum glaube ich, dass auch Authentizität wichtig ist. Und authentisch kann man immer leben – ob als Frau oder als Mann.
Bei der Deutschen Bank habt ihr euch im Bereich Diversity hohe Ziele gesetzt. Bis zum Jahr 2025 sollen 35 Prozent Frauen in der mittleren Führungsebene sein und 30 Prozent Frauen im Top-Management. Wo steht ihr damit heute? Und welche Ziele habt ihr euch darüber hinaus gesetzt?
Sabine: Erst einmal ist es wichtig, dass wir uns dieses Ziel gesetzt haben. Denn nur, wenn man ein Ziel hat, kann man es auch erreichen. Ohne konkretes Ziel bleibt es bei vagen Vorhaben wie: „Das könnte man“, „Das sollte man“ oder „Das müsste doch mal“. Diese Phase haben wir überwunden. Wir haben ein Ziel, dem wir uns verpflichtet haben.
Wenn es um die Frage geht, wie weit wir dabei sind, kann ich attestieren, dass diese Verpflichtung im Management angekommen ist – nicht nur im Top-Management, sondern auch in den Ebenen darunter. Ich erlebe in meinem Kolleg*innenkreis, dass dieses Thema die Menschen häufiger als früher bewegt; und zwar nicht, weil es von mir initiiert wird, sondern weil es bei allen auf der Agenda ist. Wenn wir auf unsere Personalstruktur schauen, dann beschäftigen wir uns automatisch mit unserer Gender-Diversity. Dabei geht es auch um Alters-Spreads, was für uns eine wichtige Dimension von Vielfalt ist. Das Thema hat inzwischen in seiner vollen Breite eine Präsenz gewonnen und jeder hat das Ziel „35 by 25“ für sich verstanden und verfolgt es spürbar.
Wenn es um Ziele geht, die darüber hinausgehen, glaube ich persönlich, dass es nichts ausmacht, wenn es schneller geht. Wir müssen also nicht zwingend bis 2025 warten. Und wir können die Ziele auch übererfüllen. Wenn es nach mir geht, dürfen es auch mehr als 35 Prozent werden oder vielleicht sogar 38 oder 40 Prozent. Ich persönlich glaube, dass wir die Frauen dafür haben. Wir müssen sie nur noch identifizieren und in die richtigen Positionen bringen. Ich bin auch sicher, dass es ab einem gewissen Punkt eine Eigendynamik annimmt. Denn bei dem Ziel handelt es sich ja mehr um eine Haltung und Überzeugung als um eine Quote. Vielleicht brauchen wir die Quote generell nur, um zu der Überzeugung zu kommen. Wenn erst einmal jede Führungskraft in der Organisation gemerkt hat, dass Diversität tatsächlich ein Potenzial freisetzt und Teams plötzlich ganz anders agieren und größere Erfolge zu feiern haben, dann gibt es kein Halten mehr. Genau an dieser Überzeugung arbeiten wir und ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass wir das mit wirklich sichtbarer Unterstützung aus dem Top-Management tun. Und das ist etwas Neues. Ich arbeite seit 23 Jahren in der Deutschen Bank und das, was sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt hat, gab es in dieser Form zuvor nicht.
Du hast gerade die Quote angesprochen und darauf verwiesen, dass es sich bei der Deutschen Bank um freiwillige gesetzte Ziele handelt. Aber was hältst du persönlich von der Quote und der Diskussion, die aktuell dazu geführt wird?
Sabine: Ich persönlich glaube, dass die Quote wichtig und richtig ist. Ich bin nun 50 Jahre alt und habe keine Lust mehr darüber zu sprechen, dass es auch ohne Quote klappt. Dafür habe ich einfach zu lange gesehen, dass es nicht funktioniert. Darum halte ich sie für sinnvoll. Wenn wir über die Erfüllung einer Quote zu der Überzeugung gelangen, dass Diversity wichtig ist, dann ist sie dafür das richtige Mittel. Gleichzeitig sehe ich auch die Kritik daran als berechtigt an. Ich möchte natürlich nicht, dass Frauen sich noch dafür rechtfertigen müssen, womöglich nur wegen einer Quote in eine bestimmte Position gekommen zu sein. Ich höre häufig von jüngeren Kolleginnen, dass sie nicht in die Quotendiskussion eingebunden werden möchten, oder es schon fast unwürdig finden, sich dieser Kritik stellen zu müssen. Denn die Diskussion um die Quote ist nicht ganz fair, wenn man bedenkt, dass Männer nie darüber nachdenken müssen, ob sie wegen einer solchen Regelung in eine bestimmte Position gekommen sind.
Anstatt den emotionalen Diskussionen – in den Medien oder im privaten Umfeld – wäre es wichtiger zu schauen, was man gemeinsam entwickeln kann. Darum habe ich inzwischen meinen Frieden mit dem Thema gemacht, und sage, dass wir jetzt versuchen sollten, etwas mit der Quote zu bewegen. Sollte sich auch mit Quote weiterhin nichts bewegen, dann haben wir ein ernstzunehmendes Problem. Aber ich bin optimistisch, dass wir jetzt etwas verändern können.
Wenn wir von Bewegung in diesem Zusammenhang sprechen, würde uns auch interessieren, welche konkreten Maßnahmen die Deutschen Bank ergreift, um diese Ziele zu erreichen.
Sabine: Das sind so viele, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Aber ich kann erzählen, was ich ganz persönlich erlebe: Als Managerin habe ich die Personalabteilung in ganz vielen Prozessen an meiner Seite. Wenn es um Talententwicklung oder Talentförderung geht, dann wird stets darauf geachtet, ob wir eine gute Balance haben. Das halte ich für einen sehr wichtigen Schritt. Wenn es um die Besetzung von Positionen geht, haben wir zudem weitere Instrumente und Mechanismen, die uns helfen, die Leistung nebeneinanderzustellen. Unsere HR-Systeme bieten uns neue Möglichkeiten zur besseren Vergleichbarkeit. Damit kann man sich von unbewussten Denkmustern freimachen und ein objektiveres und facettenreiches Bild von einem Kandidaten oder einer Kandidatin erhalten.
Darüber hinaus haben wir inzwischen eine Diskussionskultur, bei der es selbstverständlich geworden ist, dass das Management fragt, ob es auch eine Frau für eine bestimmte Position gibt. Auch wenn ich nicht stolz darauf bin, war ich selbst vor ein paar Jahren noch Teil einer Diskussion, bei der es darum ging, eine neue Führungsposition zu besetzen. Erst nachdem bereits acht Namen auf der Liste geeigneter Kandidat*innen standen, fiel uns auf, dass es sich dabei ausschließlich um Männer handelte. So etwas wäre heute undenkbar, weil solche Prozesse vom Management besser gesteuert werden.
Daneben haben wir noch zahlreiche weitere Programme und Maßnahmen, die Frauen in ihrer Entwicklung fördern und unterstützen. Solche Programme gibt es übrigens auch für Männer. Aber wir achten ganz besonders darauf, dass Frauen mit besonderen Instrumenten begeistert werden, sich in Rollen vorzuwagen, für die es noch zu wenige Vorbilder gibt. Diese Talentkader werden prominent begleitet: Es gibt den Schneider-Lenné Cadre, zu dem 60 Frauen im Topmanagement der Deutschen Bank gehören, die sich insbesondere dazu verpflichten, anderen Frauen auf ihrem Weg an die Spitze in Führungspositionen oder andere Top-Positionen im Hause zu helfen. Das sind alles Beispiele für Instrumente, die eine sehr große Rolle beim Erreichen des Ziels spielen.
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit noch einmal stärker auf das Thema Führung lenken, welche Verbindung siehst Du dann zwischen Führung, Chancengleichheit und Diversität?
Sabine: Ich glaube, dass es nicht ohne die Führung geht, Chancengleichheit und Diversität zu erreichen. Wir können Frauen noch so sehr fördern und unterstützen, aber wenn es einen Deckel gibt – und diese „Deckel“ sind die Chefs oder Chefinnen, die niemanden durchlassen – dann haben wir ein Problem. Die Führung ist der zentrale Dreh und Angelpunkt. Ich muss als Führungskraft wirklich verinnerlicht haben, dass ich mit diversen Teams mehr erreichen kann. Wenn ich das einmal verstanden und auch erlebt und gefühlt habe, dann brauche ich keine Quote oder unterstützenden Programme mehr.
Darum ist es unsere Aufgabe, die Führungskräfte im Unternehmen zu begeistern, sich zu öffnen und sich weiterzuentwickeln. Ich habe es während meiner früheren Tätigkeit häufig erlebt, dass männliche Führungskräfte auf mich zukamen und sagten: Sabine, wir suchen eine neue Mitarbeiterin, weil „Frau Soundso“ schwanger ist. Meine erste Reaktion war stets zu sagen, dass das eine ja nicht zwingend das andere bedinge. Und wenn ich dann nachgefragt habe, ob und wie lange die Person denn überhaupt in Elternzeit gehen möchte, wurde ich manchmal mit entsetzten Augen angesehen. In der Regel wurde gar nicht gefragt, ob und wann jemand zurückkommen möchte, weil stillschweigend davon ausgegangen wurde, dass werdende Mütter drei Jahre ausfallen. Solche Dinge dürfen einfach nicht passieren. Wenn ich so ein Mindset habe, dann bin ich einer der „Deckel“ und wahrscheinlich klappt es in meinem Verantwortungsbereich dann mit der Diversity auch nicht so richtig gut.
Darum fordere ich von jeder Führungskraft, tatsächlich bereit zu sein, sich die unbewussten Denkmuster bewusst zu machen und eine Bereitschaft zu entwickeln, das eigene Mindset zu verändern, damit wir auch als Arbeitgeberin für die nächsten Generationen attraktiv sind, die wir so dringend brauchen.
Du hast gerade das Thema Elternzeit angesprochen und es ist ja tatsächlich so, dass wir alle in dieser Hinsicht unterschiedliche Wünsche und unterschiedliche Bedürfnisse haben – die einen wollen Kinder, die anderen nicht, die einen wollen mehr Karriere, die anderen nicht. Kannst Du uns ein paar spannenden Einblicke geben, was die Deutsche Bank dafür tut, um für eine Balance zwischen den individuellen Wünschen und der Karriereförderung zu sorgen?
Sabine: Die Deutsche Bank tut an dieser Stelle sehr viel. Es ist mir aber auch wichtig zu betonen, dass es nicht die Aufgabe eines Arbeitgebers ist, für diese Balance zu sorgen. Ich selbst habe eine dreizehnjährige Tochter und war vor ihrer Geburt auch in einer Management-Position. Damals stand ich also genau vor dieser Herausforderung. Darum kann ich aus eigener Perspektive schildern, wie mir geholfen worden: Zu dem Moment hatte eine Führungskraft, die sich selbst noch in einem unbewussten Denkmuster befunden hat, und sagte: ‚Es ist schade, dass du nun wieder ausfällst.‘ Der Dialog änderte sich jedoch schnell, als ich sagte, dass ich gar ausfallen will. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass mein Chef sehr offen war, eine gemeinsame Lösung zu entwickeln. Dabei handelte es sich aber in erster Linie um mein To-do. Denn es ist nicht die Aufgabe meiner Führungskraft, mir einen Weg aufzuzeigen, wie das funktionieren könnte. Ich muss mir vielmehr überlegen, was ich bereit bin zu geben und was ich auch bereit bin zu opfern. Denn darum geht es ja: Ich gebe ja Zeit mit meiner Tochter oder auch private Zeit für den Beruf auf. Darüber muss man sich im Klaren sein. Als ich dann meine Wünsche und Vorstellungen formuliert habe, konnte ich etwas ganz anderes erleben. Als ich sagte, dass ich nach acht Wochen Mutterschutz wieder zurückkommen will, antwortete mir mein damaliger Chef: ‚Als Vater von zwei Kindern, sage ich dir: Mache lieber mal ein paar Monate mehr Elternzeit. Glaub mir, das wird dir guttun. Wir schaffen das schon und halten deinen Platz frei.‘ Das hat mir enorm Druck genommen. Da sind wir wieder bei der Frage, welche Rolle die Führungskraft spielt. In meinem Fall war es nicht die Deutsche Bank als Arbeitgeberin, aber ein Manager, der am Ende das möglich gemacht hat, was mir damals wichtig war.
Natürlich bietet die Deutsche Bank darüber hinaus auch Beratungen an: Als sich unsere Tochter auf den Weg machte, hatte ich rechtzeitig ein Konzept in der Tasche, wie ich die Kinderbetreuung regeln möchte. Dafür gibt es Angebote wie den Familienservice, der werdende Eltern berät, der auch mir sehr weitergeholfen hat und den ich seither auch immer weiterempfehle. Mit diesen kostenlosen Angeboten geben wir unseren Kolleginnen und Kollegen Profis mit an die Hand. An großen Standorten wie in Frankfurt bieten wir auch direkt die Möglichkeit der Kinderbetreuung an, was sich aber beispielsweise in Bremen wegen der Anzahl von Mitarbeiter*innen nicht lohnt. Darüber hinaus gibt es noch das verpflichtende Angebot für werdende Eltern, ein Gespräch mit HR und mit den Business Partner*innen zu führen, um eine Bestandsaufnahme zu machen und zu klären, wie wir als Bank mit ihnen in Kontakt bleiben, wann wir wieder sprechen wollen und wann sie wieder in den Beruf zurückkehren möchten. Auch da zeigt sich wieder unser Mindset, weil wir nicht mehr fragen, ob, sondern, wann sie zurückkommen möchten. Wir wollen damit Brücken aufbauen und frühzeitig nach Lösungsmöglichkeiten suchen.
Ich habe es als Marktgebietsleiterin auch immer so empfunden, dass man mich früh eingebunden hatte, sodass ich auch die Chance hatte, bestimmte Stellen freizumachen, freizuhalten oder überhaupt erst zu entwickeln, um das dann auch in der Umsetzung möglich zu machen. Das ist enorm viel Wert, wenn ein Arbeitgeber über diese Zeit den Kontakt aufrecht hält. Schließlich wollen wir unsere top ausgebildeten Mitarbeiterinnen halten, die ja „nur“ ein Kind bekommen. Sie geben schließlich nicht ihre Ausbildung und ihre Kompetenz an der Garderobe ab und verlassen das Haus. Wir sind froh, um jede Mitarbeiterin, die zurückkommt und wieder bei uns ist. Und das muss nicht Vollzeit heißen, da wir natürlich auch tolle Teilzeitlösungen oder andere Möglichkeiten wie Jobsharing anbieten.
Das heißt, dass ihr sehr viel bietet, aber auch Eigenverantwortung auf Seiten der Mitarbeiter*innen erwartet.
Sabine: Ja, das finde ich total wichtig, weil es ja eine Entscheidung ist, die du für dich selber treffen musst. Gleichzeitig muss sie tragfähig sein. Da müssen wir uns auch nichts vormachen: Gesellschaftlich ist es noch nicht überall voll akzeptiert, dass man als Mutter mit Karriereplänen wieder ins Unternehmen geht.
Insbesondere jüngeren Generationen ist Diversity sehr wichtig. Sie ist immer häufiger sogar ein entscheidender Faktor bei der Berufswahl. Welche Veränderungen im Generationenwechsel nimmst Du wahr, wenn es um die Ansprüche von Mitarbeitenden an ihre Führungskräfte geht. Wie wollen jüngere Generationen geführt werden?
Sabine: Ich habe Veränderungen festgestellt und ich muss sagen: zum Glück! Ich glaube, dass wir eine ganz andere Generation von zukünftigen Mitarbeitenden haben und das ist toll. Gerade der Fokus auf Karriere, wie es ihn früher einmal gab, ist heute antiquiert. Niemand würde heute mehr sagen, was ein früherer Chef mal zu mir gesagt hat: ‚Karriere macht man nach 18:00 Uhr.‘ Es sind aber auch Themen wie die Wertigkeit von Privatleben, was oft als Work-Life-Balance betitelt wird. Anders ist auch das Selbstbewusstsein und die Selbstverständlichkeit, Wünsche und Anforderungen zu artikulieren. Vor 30 Jahren habe ich noch ganz andere Werte vermittelt bekommen, auch wenn ich diese heute selber nicht mehr empfinde oder von anderen erwarte. Damals waren Fleiß und möglichst wenig Widerworte noch absolut en vogue für die Karriere.
Die jungen Leute, die heute nach ihrer Schullaufbahn für die Ausbildung zu uns kommen oder nach einem Hochschulstudium als Trainee, sind Feedback gewohnt: Sie können Feedback geben und können Feedback annehmen. Sie wollen auch an sich arbeiten und sich weiterentwickeln, und zwar in einer Geschwindigkeit, die einen als Arbeitgeber nur freuen kann. Wir haben schließlich ein großes Interesse daran, wenn sich jemand schnell in seiner Rolle weiterentwickeln kann. Diese Entwicklungen nehme ich alle als sehr positiv wahr.
Welchen Rat würdest Du jüngeren Frauen geben, die eine Führungsposition anstreben?
Sabine: Es zu machen, sich ins Spiel bringen, sich immer wieder sichtbar machen und immer wieder darüber sprechen. Denn das ist selbstverständlich und das machen Männer genauso. Wenn ich gefragt werde: ‚Was ist dein Karriereziel?‘, es einfach zu sagen. Schließlich kann mir keiner hinter die Stirn schauen. Und wenn ich nicht danach gefragt werde, dann darf ich das übrigens auch ungefragt sagen. Ich halte das für sehr wichtig, solche Wünsche zu artikulieren.
Für den Fall, dass ich vielleicht auf Gesprächspartner*innen stoße, die sagen: ‚Wer weiß, wie es mit Kindern aussieht?‘ – auch wenn das nicht ausgesprochen wird, sondern häufig nur gedacht wird – ist es umso wichtiger zu sagen, dass ich gerne Karriere machen möchte und ich auch einen Plan dafür habe. Natürlich muss ich bei all dem auch die Leistung erbringen. Das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Aber das müssen Männer genauso.
Was war der schlechteste Rat, den Du als Frau im Laufe Deiner Karriere bekommen hast?
Sabine: Der schlechteste Rat, den ich im Laufe meiner Karriere bekommen habe, passt tatsächlich sehr gut zu unserem Thema. Er lautete: ‚Sei doch einfach ein bisschen mehr wie Thorsten.‘ Ich war aber nicht so wie Thorsten. Damals war tatsächlich der Wunsch meiner Führungskraft, dass ich mir mehr Männlichkeit aneignen sollte. Den Rat konnte und wollte ich nicht befolgen.
Stell Dir vor, Du müsstest Führungsstil in Form eines Slogans charakterisieren, der auf einer Kaffeetasse kommt – Was würde darauf stehen?
Sabine: Da würde mir ganz viel einfallen, weil ich diese Sprüche liebe. Da ich ein großer Fan von Stärken-basierter Führung bin, würde dort wahrscheinlich stehen: ‚Liebe deine Stärken, dann wirst du erfolgreich sein‘, oder: ‚Nutze deine Stärke zum Erfolg‘. Das ist nämlich meine Form von Diversity. Ich schaue schon längst nicht mehr auf die Gender-Diversity, sondern schaue auf die Stärken-Diversity. Das macht viel mehr Spaß und das ist so unglaublich vielschichtig. Wenn man das einmal verstanden hat, dann kann man sich dieser Stärken auch bedienen und dann sind wir als Team noch erfolgreicher.
Damit kommen wir zur letzten Frage und einem ein Fazit zu unserem Gespräch: Wie steht es im Jahr 2022 um Frauen in Führungspositionen? Was läuft gut und wo siehst Du noch Luft nach oben?
Sabine: Zunächst einmal nehme ich wahr, dass es immer mehr Frauen in Führungspositionen gibt, und da meine ich ganz bewusst auch außerhalb der Deutschen Bank. Ich bin ja in diversen Netzwerken aktiv und sehe, dass mehr und mehr Frauen in anderen Unternehmen aufsteigen oder als Unternehmerinnen tätig sind. Das finde ich bemerkenswert und es macht Spaß, das zu sehen. Es gibt sie also, sie zeigen sich und es gibt eine wachsende Begeisterung dafür. Das hat auch damit zu tun, dass sich mehr Menschen bewusst machen, dass sie ein Vorbild sind und dass diese Vorbildrolle zu einer Verbesserung führen kann. Was ich mir wünschen würde, wäre, dass diejenigen, die noch nicht erkannt haben, dass sie ein Vorbild sind, das zu reflektieren. Dann sind wir nämlich noch viel mehr, die diese Entwicklung begleiten können. Schließlich gibt es noch so viele Bereiche in unserem beruflichen Alltag und in unserer Gesellschaft, wo wir den Finger in die Wunde legen müssen und das fällt uns dann vielleicht leichter.