Vor einigen Wochen durften wir die Schmuckdesignerin Ariane Ernst in Düsseldorf treffen. In einem persönlichen Gespräch haben wir nicht nur über die eigenen Erfolgsdefinitionen und die Selbstverständlichkeit von Genderless Jewelry gesprochen, sondern auch über die Herausforderungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, die eine starke Social-Media-Community aufgebaut haben und dennoch ein nachhaltiges Geschäftsmodell pflegen möchten. Ihre Philosophie „Inbetween“ ist mehr als nur ein Leitsatz – es ist ein Manifest für ein individuelles Konzept, das uns zeigt, dass wir uns nicht in starre Kategorien einordnen müssen. Es fordert uns heraus, über traditionelle Grenzen hinauszudenken. Man muss nicht weiblich sein, um glitzernde Diamanten zu lieben, oder männlich, um minimalistische, klare Designs zu schätzen. „Inbetween“ mit Ariane bedeutet, Vielfalt und die persönliche Freiheit zu zelebrieren.
Während ich nun unsere Unterhaltung niederschreibe, werfe ich einen Blick auf meine Hände und frage mich, wann ich meine Ringe zuletzt abgelegt habe. Jedes dieser Schmuckstücke erzählt eine Geschichte, unersetzbar durch die Intimität, die ich mit ihnen teile. Wir haben eine ganz eigene Verbindung zueinander. Sie schenken mir Sicherheit, ich biete ihnen ein Zuhause. Faszinierend, wie ein materielles Objekt so viele Emotionen auslösen kann. Doch Schmuck besitzt nicht nur persönliche, sondern auch gesellschaftliche Bedeutung. Das wird bereits in den Renaissance-Porträts deutlich, in denen sowohl Männer als auch Frauen durch Schmuck ihren Status und ihre Macht ausdrückten. Vor allem für Frauen repräsentierten Schmuckstücke nicht nur ihren individuellen Stil, sondern auch finanzielle Unabhängigkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Frauen erstmals ein eigenes verfügbares Einkommen, da sie in Fabriken und Büros arbeiteten, die bisher meist Männern vorbehalten waren. Der Schmuck, den sie für sich selbst kauften, war oft auffällig, groß und politisch. Sie trugen mehr davon, weil die Sichtbarkeit dieser Stücke nun eine tiefere Bedeutung hatte.
Zurück in Düsseldorf, definiert Schmuckdesignerin Ariane Ernst auf eigene Weise neu, was Erfolg bedeutet. Mit ihren Kreationen möchte Ariane Freiheit vermitteln. Die Freiheit, sich durch ein Schmuckstück die eigene Autonomie zurückzuerobern, die innere Persönlichkeit nach außen zu zeigen. Ein inspirierendes Konzept, das in jedem ihrer Werke spürbar wird.
Liebe Ariane, erzähl uns doch erstmal etwas zu Dir und Deinem bisherigen Lebensweg. Wie bist du zum Schmuckdesign gekommen?
Als junges Mädchen war ich schon immer sehr trend- und modeinteressiert und habe Publikationen wie Elle und Vogue sowie alles rund um Interior geliebt. Diese Ästhetik hat mich tief berührt, ebenso wie Menschen und Kunst. Als meine Cousine Schmuckdesignerin wurde, habe ich bei ihr mein erstes Praktikum gemacht. Es faszinierte mich, dass ich das, was ich entworfen hatte, tatsächlich in den Händen halten konnte – ein Aha-Moment für mich. Von da an wusste ich, dass ich mich in diesem Bereich weiterentwickeln wollte. Ich entschied mich, meine Ausbildung an der Wiener Goldschmiede Akademie fortzusetzen. Während dieser Zeit wurde mir bewusst, dass ich nicht nur handwerklich arbeiten, sondern auch ein Studium absolvieren wollte. Also studierte ich nach meiner Ausbildung Design, Schmuck und Produktdesign in Düsseldorf. Das Designstudium erwies sich als sehr introspektiv, und ich begann, mich zu fragen, ob ich tatsächlich einen Mehrwert in der Gesellschaft bieten könnte, da es schon so viel gab. Ich nahm mir vor, konzeptuell zu arbeiten und mich immer mit dem Zeitgeist zu beschäftigen, um zu verstehen, was die Menschen beschäftigt und wie ich ihnen etwas Bedeutungsvolles anbieten kann. Nach meinem Studium begann ich meine berufliche Laufbahn bei H&M und erlebte dort einen Reality-Check. Mein Studium war sehr avantgardistisch und eher wie an der Kunstakademie, wo Kalkulation und kommerzielle Aspekte weniger im Fokus standen. Diese losgelöste Herangehensweise war ein großer Kontrast zu einem großen Unternehmen wie H&M, wo die Frage „Für wen designe ich eigentlich?“ plötzlich keine entscheidende Rolle mehr spielte. Ich wollte meine kreative Arbeit zwar monetarisieren und mein Leben davon finanzieren können, meiner eigenen Handschrift aber treu bleiben. Um meine Marke bekannt zu machen, nutzte ich Social Media Marketing, noch bevor es zu einem etablierten Konzept wurde. Ich erkannte das Potenzial von Plattformen wie „Lookbook“, wo Menschen ihre Outfits teilten, um auf meine Marke aufmerksam zu machen, ohne ein großes Marketingbudget zu haben. Gleichzeitig stellte ich meine Schmuckstücke auf Messen aus und verkaufte sie in Concept Stores, ohne direkt an Endkund*innen zu gehen. Meine Brand hat sich maßgeblich durch die Unterstützung von Influencer*innen entwickelt, wir sind also quasi gemeinsam groß geworden. Trotzdem war ich noch nie eine typische Instagram-Marke, da mir lokale Produktion und Handwerkskunst seit jeher sehr wichtig sind. Schon vor dem großen Medienfokus auf Nachhaltigkeit produzierte ich lokal und setzte auf Qualität und Transparenz. Mit der Zeit hat sich meine Marke organisch entwickelt und heute leben wir vor allem von treuen Stammkund*Innen, die unsere Produkte schätzen, nicht nur wegen ihres coolen Looks, sondern auch wegen der Qualität und der Geschichte dahinter. Das ist auch meine Philosophie: Ich biete meine Produkte an, ohne auf Teufel komm raus verkaufen zu wollen. Werbeanzeigen sind nicht mein Ding. Obwohl ich ständig kontaktiert werde und mein Mann im Online-Marketing tätig ist und immer sagt, dass es viel Potenzial gibt und ich eine Menge Chancen verpasse, habe ich einfach keine Lust darauf. Mir gefällt es, eine Nische zu besetzen, und ich versuche, das beizubehalten. Ich möchte nicht unbedingt verkaufen müssen, sondern eher auf eine Geschichte und eine persönliche Verbindung setzen. Jedes Schmuckstück hat eine eigene Geschichte, und ich lade die Menschen ein, es anzuprobieren, wenn sie Lust dazu haben. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Mir ist es wichtig, dass jeder seinen eigenen Zugang zu meinen Schmuckstücken findet, denn das macht sie für jemanden wertvoll und tragbar.
Welche Erfahrungen hast du als junge weibliche Unternehmerin in der Schmuckbranche gemacht? Inwieweit haben sie dich darin bestärkt, einer eigenen Vision zu folgen?
Ich werde oft gefragt, ob ich Angst hatte, als ich mich selbstständig gemacht habe. Ich erinnere mich daran, dass viele meiner Freundinnen mich damals fragten: „Hast du nicht Angst?“ und ich antwortete: „Nein, wovor sollte ich Angst haben?“ Ich hatte einen starken Glauben an mich und meine Arbeit, vielleicht klingt das arrogant, aber ich war von meiner Schmuckkreation überzeugt. Ich ging naiv an die Sache heran und stieß auf die Herausforderung, wie ich überhaupt kommunizieren und mein Geschäft vermarkten sollte, eine Seite, die im Studium nicht so stark behandelt wurde. Ich startete mit begrenztem Budget, aber mein Vertrauen in mich selbst war so stark, dass ich keine Angst hatte. Meine Mutter, eine starke und ehrgeizige Person, hatte mich gelehrt, mein eigenes Leben zu gestalten und nicht von anderen abhängig zu sein. Ich wollte immer unabhängig sein. Obwohl man klassischerweise sagen würde, dass ich eine Feministin bin, bin ich eher ein Fan von dem Wort Gleichberechtigung. Ich finde es selbstverständlich, dass Frauen alles tun können sollten, was Männer tun können, und umgekehrt. Aber ich merke auch, dass dieses Thema immer noch relevant ist.
Eine gewisse Naivität kann vielleicht sogar hilfreich sein, weil man nicht alles hinterfragt, sondern sich in seine Möglichkeiten stürzt.
Ich wusste nicht, wie man ein Business-Transkript schreibt. Ich habe einfach angefangen und das Wichtigste ist, aus seinen Fehlern zu lernen und sich für nichts zu schade zu sein. Wenn jüngere Frauen mich fragen, wie ich das geschafft habe, sage ich ihnen: „Durchhaltevermögen.“ Zu Beginn habe ich alles selbst erledigt: vom Programmieren des ersten Online-Shops über das Fotografieren bis hin zur persönlichen Beantwortung jeder E-Mail und zur Bearbeitung von Bestellungen. Ich habe jede Facette selbst in die Hand genommen, denn meine Marke ist mein Baby, und es fällt schwer, Kontrolle abzugeben. Inzwischen habe ich jedoch erkannt, dass es notwendig ist, mehr zu übertragen, um mich auf das zu konzentrieren, was ich wirklich mag. Dennoch hege ich den nachhaltigen Anspruch, dass meine Marke langfristig Bestand hat. Mir geht es nicht darum, einen kurzlebigen Hype zu kreieren. Mein Bestreben ist es, solide und fundiert zu sein. Deshalb war es für mich von großer Bedeutung, meine handwerkliche Ausbildung zu absolvieren, die Materie zu verstehen und authentisch darüber sprechen zu können. Obwohl ich heute nicht mehr die Zeit habe, selbst in der Werkstatt zu arbeiten, kann ich mit den Menschen, die es tun, in einer gemeinsamen Sprache kommunizieren. Dies ist in der Schmuckbranche selten, insbesondere dass eine Frau ein solches Unternehmen lokal aufgebaut und betreibt. Mein Antrieb, ein langfristiges Geschäftsmodell aufzubauen, resultiert aus meiner Fachkenntnis und meiner tiefen Auseinandersetzung mit dem Thema. Diese Arbeit ist wirklich meine Identität, und ich gehe jeden Tag mit Freude zur Arbeit. Das verleiht dem gesamten Prozess eine andere Dynamik.
Und vielleicht auch die Geduld, die in der heutigen schnelllebigen Zeit oft fehlt. Man sieht nur den Erfolg, aber nicht den Weg dorthin.
Ja, ab wann ist man eigentlich erfolgreich? Das ist auch ein Thema. Für mich ist Erfolg, wenn man zu 100 % mit sich im Reinen ist und einfach zufrieden ist. Erfolg sollte nicht nur an materiellen Dingen gemessen werden, sondern daran, dass man der Mensch geworden ist, der man immer sein wollte. Das ist ein langer Prozess. Arbeit sollte ein erfüllender Prozess sein und nicht nur ein Mittel zum Zweck.
Es besteht eine Schwierigkeit für Brands, die eine starke Social Media Community besitzen, ein nachhaltiges Business Modell zu leben. Wie kann man sich davon abgrenzen?
Von Anfang an setzen wir auf Made-to-Order. Denn für mich gibt es nichts Nachhaltigeres, als erst zu produzieren, wenn ein Verkauf erfolgt ist. Dieses Prinzip verfolgen wir bis heute konsequent. Anfangs war es auch eine Frage der finanziellen Mittel – ich konnte es mir nicht leisten, Produkte auf Lager zu haben. Jetzt haben wir zwar immer ein kleines Kontingent an Schmuckstücken, jedoch nie in Massen. Das bedeutet, wir sind kontinuierlich in Produktion. Durch unsere lokale Fertigungsmöglichkeit in Handarbeit, können wir das ermöglichen. Anders als in einer klassischen Kollektion, bei der Produkte zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein müssen. Das an sich ist schon ein nachhaltiger Ansatz. Ich könnte sicherlich viel mehr verkaufen, aber im Handwerk benötigt es Zeit, um ein hochwertiges Produkt zu fertigen. Verschiedene Fertigungsprozesse müssen nahtlos ineinandergreifen. Ich bevorzuge also, weniger Aufträge anzunehmen und mit Kund*innen zu arbeiten, die das Verstehen und bereit sind, etwas länger auf ihr Schmuckstück zu warten. So teilen wir eine gemeinsame Wertschätzung für das Endprodukt.
Du trennst deine minimalistischen & cleane Drops nicht in binäre Herren oder Frauen Kollektionen und denkst Schmuck damit bereits inklusiver als es die breite Gesellschaftsschicht immer noch tut. Fühlst Du dich in der Verantwortung, nicht in Stereotypen zu denken und deine Zielgruppe breiter zu fassen?
Unser Schmuck ist so gestaltet, dass jede*r daraus seinen oder ihren eigenen Look kreieren kann, und Unisex ist für uns selbstverständlich. Ich finde es großartig, Schmuck an Männern zu sehen, da es ihrem Charakter eine besondere Note verleiht. Es ist für mich irrelevant, Schmuck in starren Geschlechterkategorien zu denken. Schubladendenken macht keinen Sinn. Ich erinnere mich als wir unseren Online-Shop damals erneuert haben. Wir hatten nie in binären Kategorien von „Woman“ oder „Man“ gedacht, für mich war alles einfach nur Schmuck. Deshalb entstand die Idee für das neue Menü, das einfach „wo/men“ lautete, ohne Trennung oder Fragestellungen, welche Ketten für Männer und welche für Frauen sind. Alles war für alle gleich. Solche Kategorisierungen schienen mir nie notwendig. Ich war überrascht zu erkennen, dass etwas, das für mich selbstverständlich war, leider so viel Bedeutung hat. Es ist wichtig, diese Offenheit und Vielfalt zu betonen und den Schmuck für alle zugänglich zu machen. Es ist ein zunehmend relevantes Thema, und ich sehe es als ein bedeutendes gesellschaftliches Problem. Männer werden oft in die Vorstellung erzogen, dass sie lediglich eine Uhr und einen Ehering tragen sollten. Doch wie Tijen Onaran immer sagt: „Warum sollte eine Geschäftsfrau keinen roten Lippenstift tragen dürfen?“ Ich fände es äußerst interessant, wenn mein Bankberater einfach mal einen Ohrring und eine Kette tragen würde. Das würde sich viel stärker in meinem Gedächtnis verankern, und ich würde das Feiern. Dies ist der Aspekt, der sich ändern muss und über den wir sprechen sollten, damit Männer auch den Mut finden, sie selbst zu sein. Es wirkt absurd, sich vorzustellen, dass man für das authentische Ausleben seiner Identität von der Gesellschaft verurteilt werden kann. Diese vorgegebenen Strukturen darüber, wie man sein sollte, sind genau das, was mich stört. Natürlich führen wir auch in unserem Geschäft viel Aufklärungsarbeit durch. Oft kommt zunächst die Freundin herein, und nach und nach traut sich auch der Mann, Schmuck zu tragen. Anfangs sagt er oft, er möchte das nicht, aber nachdem er etwas ausprobiert hat, merkt auch er, dass es sich gar nicht so falsch anfühlt, wie ihm die Gesellschaft eingeredet hat. Und es sieht auch noch cool aus. Doch hierfür brauchen wir mehr Vorbilder und Menschen, die das Vorleben. Heterosexuelle Männer haben oft die irrationale Angst, in eine bestimmte Richtung eingeordnet zu werden. Wie wunderbar wäre es, wenn die Gesellschaft verstehen würde, dass die äußere Erscheinung unabhängig von der sexuellen Orientierung ist. Ich versuche, diese Botschaft nach außen zu tragen und den Menschen zu sagen: „Hey, probiere es doch mal aus, es ist gar nicht so schlimm.“ Es muss zu dir passen, aber um das herauszufinden, muss man es eben ausprobieren können. Ich möchte vermitteln, dass jede*r Schmuck ausprobieren darf.
Identität. Wer bin ich, woher komme ich und was macht mich aus. Ich sehe das als ein bedeutendes Anliegen, da viele Menschen verloren sind und auf der Suche nach sich selbst.
Interesse an der äußeren Erscheinung erfordert allerdings auch eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst …
Kleidung und Schmuck drücken so viel nach außen aus, was meiner Meinung nach von vielen Menschen unterschätzt wird, während es von anderen wiederum überbewertet wird. Es sollte nicht mehr so sein, dass in bestimmten Geschäftsbereichen die Ansicht herrscht: „Ja, du darfst Schmuck tragen, aber nicht zu viel.“ Selbst Creolen waren einst ein solches Thema und wurden für einen bestimmten Frauentypus abgestempelt. Aber nein, Creolen sind in vielerlei Hinsicht fantastisch, und je größer, desto besser. Jede*r sollte sie so tragen können, wie es für sie authentisch ist. Ich kann ehrlich gesagt nicht einmal genau sagen, wann all diese Stereotypen entstanden sind. Sie werden einfach weitergegeben und gelebt und werden plötzlich zu einem Symbol.
Genderless Jewelry ist aktuell ein großes Trend Thema. Wie kann diese Philosophie von Schmucklabels authentisch und langfristig in die Unternehmensstrategie umgesetzt werden?
Ich behandle das ähnlich wie das Thema Nachhaltigkeit. Schon immer habe ich lokal produziert, nicht erst seitdem es en-vogue ist. Ich betrachte diese Fragen immer schon losgelöst von Trends. Ich denke, man erkennt die Authentizität für solche Themen, wenn man sich tiefer mit einer Marke auseinandersetzt. Ich versuche, dies auch meinem Team zu vermitteln und zu kommunizieren, da es mir ein wichtiges Anliegen ist. Dadurch ist mein Team auch charakterlich sehr vielfältig aufgestellt.
Wenn ihr neue Designs entwickelt und brainstormt, wird dabei auch direkt berücksichtigt, dass die Schmuckstücke für alle passen müssen?
Diese Frage stellt sich mir gar nicht. Ich habe ein Thema, mit dem ich arbeite. Zum Beispiel ist das Thema dieses Jahr Identität. Wer bin ich, woher komme ich und was macht mich aus. Die Frage nach Berechtigung spielt dabei eine Rolle. Ich sehe das als ein bedeutendes Anliegen, da viele Menschen verloren sind und auf der Suche nach sich selbst. Ich abstrahiere dieses Thema dann immer mehr und übertrage es in Formen. So entstehen die Schmuckstücke, basierend auf diesen Ideen und Themen. Ich kreiere nie Schmuckstücke mit dem Gedanken, dass sie gut aussehen könnten oder sich gut verkaufen würden. Sie entstehen vielmehr aus einem inneren Prozess. Sicherlich gibt es Schmuckstücke, die für bestimmte Personen besser passen. Ich versuche jedoch, hierbei sehr offen und unvoreingenommen zu sein, denn diese Werte sollen auch in meinen Stücken zum Ausdruck kommen. Daher müssen sie bereits in der Entstehungsphase verankert sein.
Einer deiner Leitsätze ist, dass Schmuck kein reines Statussymbol sein sollte; und damit kein Statement für monetären Reichtum. Wie schafft man es, qualitativ hochwertig zu produzieren und gleichzeitig den Preis des Endprodukts so auszulegen, dass auch Personen mit weniger finanziellen Mitteln in Stücke investieren können?
Schmuck wird oft schnell zu einem Statussymbol durch Gold und Diamanten usw., aber für mich kommt es auch darauf an, wie du ihn trägst, kombinierst und welche Art von Person du bist. Mein zentrales Thema ist das „In-Between“. In der Schmuckbranche gibt es den traditionellen Juwelierschmuck, den Avantgarde-Schmuck, den Designerschmuck und den Modeschmuck. Ich habe alle Richtungen während meiner Ausbildung durchlaufen und versuche im Grunde das Beste aus allen Welten zu vereinen. „In-Between“ bedeutet, ein solides Fundament aus guter Handwerkskunst und Fertigung zu schaffen. Ich weiß, wie es gemacht wird, ich kann es anwenden, sei es mit günstigeren oder teureren Materialien. Unser Leitsatz lautet auch: „Es ist mehr als nur ein Statussymbol, es ist ein Ausdruck von Charakter und Persönlichkeit“. Du kaufst ein Schmuckstück nicht, weil es mit Edelsteinen und Diamanten besetzt ist, sondern du investierst darin, weil dich die Geschichte und das Konzept dahinter ansprechen. Es geht also weniger um Status, sondern um Wertschätzung. Das bildet die Grundlage, um es für mehr Menschen zugänglich zu machen und losgelöst vom Status zu sehen. Schmuck hat für mich eine besondere Bedeutung, da er so nah am Körper getragen wird. Er ist etwas, an dem man festhalten kann, eine Erinnerung an besondere Momente im Leben. Zum Beispiel habe ich mir zum 18. Geburtstag Schmuck gewünscht, und jedes Mal, wenn ich ihn trage, erinnert er mich an diesen besonderen Anlass. Schmuck kann so viel transportieren und ist dadurch nicht einfach nur ein Produkt.
Das stimmt, durch kleine Impulse, die man durch Schmuck setzt, kann man schon ein wenig den Charakter einer Person erkennen und verleiht allem eine besondere Wertigkeit.
Ja, das ist das Schöne am Schmuck. Man trägt ihn auf eine ganz andere Art und Weise, wenn man eine persönliche Verbindung zu ihm hat. Ich habe beispielsweise den Ehering meiner Uroma geerbt, der für mich von unschätzbarem Wert ist. Schmuck definiert den Wert neu, da so viele Erinnerungen, Nostalgie und Gefühle damit verbunden sind. Viele Designer*innen tragen ihre eigenen Stücke nicht. Ich jedoch sehr wohl. Wenn ich meine eigenen Kreationen nicht trage, wer sollte es dann tun? Wie könnte ich erwarten, dass andere sie tragen?
Welches Gefühl sollen Ariane Ernst Stücke vermitteln?
Sei du selbst. Der besondere Charakter des Schmucks liegt darin, dass er deine eigene Einzigartigkeit betont. Es verleiht Stärke, denn es ist etwas, an dem man sich festhalten kann. Freiheit – die Fähigkeit, frei und ungehindert zu sein. Dies steht auch eng in Verbindung mit unserer Art zu denken, ob wir uns in Schubladen bewegen oder nicht. Diese Botschaft versuchen wir in unserer Kommunikation zu stärken, indem wir sie mit unseren Schmuckstücken verknüpfen. Ich habe so viel zu sagen, doch wie viel davon kann tatsächlich mit den verfügbaren Mitteln nach außen getragen werden? Das ist meine Herausforderung. Natürlich könnten wir große Marketingkampagnen starten, aber dann würden möglicherweise andere Aspekte darunter leiden, um rentabel zu bleiben. Am Ende des Tages ist es mir wichtiger, dass meine Stücke eine tiefgreifende Bedeutung haben. Deshalb beschäftige ich mich intensiv mit Preispsychologie und der Bewusstmachung dessen, was repräsentiert wird und welche Kosten angemessen sind. Glücklicherweise haben wir Kund*innen, die dies verstehen. Das gibt mir die Motivation zurück, dass die Anerkennung für unsere Arbeit wächst, und das ist etwas sehr Schönes.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus, gibt es anstehende Projekte?
Ich habe so viele spannende Pläne! Immer schon habe ich versucht, mir realistische Ziele zu setzen – nicht zu ambitioniert, aber dennoch herausfordernd. Ich gestehe, ich neige dazu, eine Perfektionistin zu sein. Wenn ich mich für etwas engagiere, möchte ich persönlich präsent sein können. Doch als Mutter stoße ich dabei manchmal an Grenzen. Von meiner eigenen Mutter habe ich gelernt, Dinge schrittweise, langsam und organisch zu entwickeln, anstatt überstürzt vorzugehen.
Gibt es etwas, das du der GDW-Community gerne mitteilen möchtest?
Ich denke, es ist wichtig, den Gedanken des Female Empowerment zu differenzieren und aus der eigenen Blase herauszutreten. Es geht darum, auch mit Personen außerhalb der eigenen Bubble über weibliche Stärkung zu sprechen. Menschen in der eigenen Umgebung teilen oft bereits die gleichen Ansichten. Mein Rat an die Community wäre, niemals Angst davor zu haben, zu seiner Meinung zu stehen. Wenn du die einzige Person im Raum bist, die anders denkt, bedeutet das nicht, dass du schweigen sollst. Eine abweichende Meinung zu haben und sie zu äußern, bedeutet auch nicht, dass du die Sichtweise anderer nicht respektierst. Zwischen 20 und 30 Jahren war es für mich eine Herausforderung, meine eigene Identität zu finden und nicht den Erwartungen meines Umfelds gerecht werden zu müssen. Sich von den Erwartungen anderer zu lösen und gleichzeitig keine Angst vor Fehlern zu haben, ist eine wichtige Lektion die ich gerne weitergebe.