Frauen in Technikberufen sind in Deutschland nach wie vor in der Minderheit. Das findet auch Marion Kurz, die eine technische Abteilung bei Vodafone leitet. Deshalb ermutigt sie junge Frauen, einen technischen Beruf zu ergreifen und erzählt im Interview von ihren Erfahrungen und Learnings.
GDW: Liebe Marion, bitte stell dich kurz vor: Wer bist du, was genau machst du bei Vodafone?
Marion: Hallo, freut mich, dass ich dabei bin! Ich bin Abteilungsleiterin Enterprise Services Engineering – mein Team und ich entwickeln technische Lösungen, um Unternehmen mit vielen Standorten sicher zu vernetzen, zum Beispiel mit Virtual Private Networks. Damit ermöglichen wir unseren Kunden, sicher zwischen unterschiedlichen Unternehmensstandorten Daten zu übertragen, ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren und somit langfristig wettbewerbsfähig zu sein.
Gibt es vielleicht in deiner Familie oder deiner Kindheit früh angelegte Erfahrungen oder Vorbilder, die dein Interesse für das Technische geweckt haben?
Marion: Ich bin in einem familiengeführten Handwerksbetrieb aufgewachsen. Mein Spielplatz war die Werkshalle mit riesigen Blechschneide- und Biegemaschinen. Auch wenn ich mich nicht wirklich für diese Form der Technik begeistert habe – die Erfahrungen haben doch mein Verständnis für einen normalen Umgang mit Technik geprägt. Ich war es von Kindheit an gewohnt, in einer von Männern dominierten Welt klarzukommen, mich zu behaupten und auch ernst genommen zu werden. Meine Eltern waren dabei wesentliche Bezugspersonen, sodass mir schon immer klar war, dass man auch als Frau mit Technik und eigenverantwortlichem Arbeiten viel erreichen kann.
Bevor wir uns anderen Aspekten zuwenden, lass uns noch kurz deinen Weg etwas genauer anschauen: Wie bist du zu diesem Punkt in deiner Karriere gekommen? Hast du studiert? Bzw. was hast du studiert? Und was waren deine ersten Stationen?
Marion: Durch die Selbständigkeit meines Vaters war mein Plan, selbst auch mal eine eigene Firma zu gründen – daher habe ich BWL studiert. Bei meinem ersten Job als Unternehmensberaterin bei PricewaterhouseCoopers hat sich mein Interesse für Technik und Software verstärkt und ich habe in einem meiner ersten Projekte die Telekommunikations-Branche kennengelernt. Da war mir schnell klar, dass meine berufliche Zukunft die TK-Branche sein soll. Kurze Zeit später bin ich zunächst in ein TK-Start-up gewechselt. Der Schritt zu Vodafone war der nächste logische Schritt – das war schon vor 15 Jahren. Bei Vodafone hatte ich bereits viele spannende Aufgaben, die sich meist um die Themen Innovationen und Produktentwicklung gedreht haben. Vor 5 Jahren bin ich dann in die Technik gewechselt und bin begeistert, jetzt Innovationen direkt voranbringen zu können. Nur ein Beispiel: Von Anfang an beim Launch des neuen Mobilfunkstandards 5G dabei zu sein und gemeinsam mit Kunden neue Anwendungsmöglichkeiten wie beispielsweise autonom fahrende Züge zu entwickeln, ist wirklich spannend.
Vor kurzem bist du für das Vodafone-Talentprogramm nominiert worden. Was bedeutet das? Und was war dein größtes Learning dabei?
Marion: Das Vodafone-Talentprogramm ermutigt die Teilnehmer*innen, die Karriere selbst in die Hand zu nehmen, eigene Aktivitäten zu starten und gezielt weiter zu treiben – eben sich selbst ans Steuer zu trauen. Am Anfang geht es erst um eine Bestandsaufnahme: Wo liegen meine Stärken? Was sind eigentlich meine Ziele? Was macht mich glücklich? Von dort ausgehend muss man selbständig schauen, wie man sich den eigenen Zielen nähern kann. Welche Schritte kann ich gehen? Wer kann mich auf dem Weg unterstützen und von wem kann ich lernen?
Mein größtes Learning? Sich selbst Ziele setzen und sie konsequent zu verfolgen – Schritt für Schritt.
Wir wollen uns heute vor allem mit dem Thema Mut beschäftigen. Was bedeutet Mut für dich und wo hast du zuletzt Mut beweisen müssen?
Marion: Mut bedeutet für mich: Neues zu wagen, neue Wege zu gehen, sich auf unbekanntes Terrain wagen und die eigene Komfortzone zu verlassen. Ohne Wagnis, kein Mut.
Es gibt täglich viele Gelegenheiten, bei denen man über das „mutig sein“ entscheiden kann. Ein Meeting, in dem ich mir denke „dieses Meeting ist Zeitverschwendung für alle Teilnehmer*innen.“ Das ist so eine Situation, in der ich mich entscheiden kann: Bleibe ich still und akzeptiere in meiner Komfortzone, dass alles so weitergeht? – Oder traue ich mich, mich ins Zentrum zu stellen und vielleicht die Dinge auch infrage zu stellen? – Mutig bin ich, wenn ich z. B. einen Vorschlag zum Vorgehen mache. Nur wenn wir alle mutiger in solchen Situationen sind, wird die gemeinsame Arbeit sinnvoller – und auch der Vodafone-Spirit deutlich.
Wann ich das letzte Mal Mut beweisen musste? Vor 10 Minuten, als ich mich für das Interview gemeldet habe 😊
Was würdest du sagen: Ist es eher eine persönliche Veranlagung, mutig sein zu können? Oder kann man Mut erlernen – und wenn ja, wie?
Marion: Sicher gibt es Menschen, die von Natur aus mutiger sind als andere – aber ich bin davon überzeugt, dass man Mut auch erlernen kann. Jedes Mal, wenn wir etwas Neues ausprobieren, trainieren wir damit unser Gehirn. Um mir selbst Mut zu machen, blicke ich auf Ereignisse zurück, die mir gelungen sind. Zum Beispiel ein Jobwechsel. Dann stelle ich mir vor, wie ich mich am Anfang gefühlt habe und wie es mir nach einigen Wochen ging. Damit kann man sich selbst die Angst nehmen. Jeder von uns hat solche Erfahrungen, die anfangs viel Mut erfordert haben. Und Vodafone hat das mutig sein in seiner Unternehmenskultur verankert – mit dem Vodafone-Spirit: „Experiment – learn fast“.
Du hast gerade das Wort „Angst“ erwähnt. Angst ist ja gewissermaßen das Gegenteil von Mut. Hast du noch mehr Tipps, wie man mit Ängsten oder Unsicherheit umgehen kann?
Marion: Durch meine Tätigkeit im Bereich Produktentwicklung bin ich automatisch ein Stück weit im internationalen Kontext unterwegs. Das kann am Anfang durchaus eine Herausforderung sein, die auch mit Angst und Unsicherheit verbunden ist. Denn der Austausch mit Kolleg*innen aus anderen Ländern kann immer auch zu Missverständnissen oder kulturellen Verständigungsschwierigkeiten führen. Vielleicht beherrscht man auch die Sprache noch nicht perfekt oder ist mit einem anderen Verständnis von Hierarchie und Führung konfrontiert. Aber beispielsweise für die Arbeit im internationalen Kontext kann man sich ganz bewusst vorbereiten, um mit solchen Unsicherheiten besser umzugehen. Die Lektüre von Fachbüchern kann da sehr hilfreich sein – denn schließlich lernen wir in einem sich ständig wandelnden Umfeld nie aus und das macht meinen Job für mich auch so spannend.
Für alle Leser*innen, die ähnlich wie ich eine internationale Führungsrolle haben oder anstreben, kann ich folgendes Buch nur wärmstens empfehlen: „The Culture Map: Breaking Through the Invisible Boundaries of Global Business“ von Erin Meyer. Für mich war die Lektüre ein großer Gewinn, weil ich besser verstanden habe, wie ein anderer gesellschaftlicher Kontext auch zu anderen Perspektiven auf die Dinge führen kann. Dabei wollen und müssen wir alle gemeinsam zum Ziel kommen. Wer sich in einer globalen Welt zurechtfinden will, muss sich selbst ebenso reflektieren wie über den Tellerrand hinausblicken. Das zu verstehen, hat mir sehr geholfen, mich in meine Rolle hineinzufinden und wohl zu fühlen.
Du bist eine Frau, die im Bereich Technik tätig ist – das ist an sich (leider) selten. Wie sind deine Erfahrungen damit? Gab es bestimmte Situationen, die dich geprägt haben?
Marion: Ja, das stimmt. Im Bereich der Technik bin ich oft die einzige Frau in Meetings. Dadurch wird man sehr sichtbar. Das ist nicht per se schlecht – aber ich überlege auch, wie bestimmt ich auftrete. Das ist sehr schade, denn solche Hürden kosten Kraft und Kreativität. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein.
Mut kann auch heißen, von anderen ermutigt zu werden. Hattest du zum Beispiel auch Wegbereiter*innen, die dich ermutigt haben?
Marion: Ja, ich hatte viele Kolleg*innen, die mir auf meinem Weg geholfen haben. Viele Führungskräfte haben meine Stärken erkannt und gefördert – aus meiner Sicht die wichtigste Qualifikation einer Führungskraft.
Aber ich habe auch immer nach neuen Wegen gesucht. So habe ich eine Mentorin gebeten, mich bei meinem Weg bei Vodafone zu coachen. Sie hat mich auf meinem ersten Karriereschritt und auch heute noch sehr unterstützt. Bei ihr habe ich gelernt, dass Mentoring ein sehr aktiver Prozess ist, sich selbst zu hinterfragen, seine Ziele zu formulieren und seinen Weg selbst in die Hand zu nehmen.
Wie machst du anderen Mut? Zum Beispiel deinem Team, im Bereich Mentoring oder in Netzwerken?
Marion:
Meinen Job sehe ich darin, eine vertrauensvolle Arbeitsumgebung zu schaffen, die Neues ermöglicht und fördert. Dazu gehört ein gutes Arbeitsklima – respektvoller Umgang, die Akzeptanz von unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Skills. Ich stehe meinem Team als Coach zur Verfügung, stelle Fragen, ermutige zum Perspektivenwechsel.
Bei Vodafone gibt es verschiedene Frauen-Netzwerke, wie unter anderem Women in Tech. Wir treffen uns regelmäßig, tauschen uns zu unterschiedlichen Fragestellungen aus und teilen unsere Erfahrung miteinander.
Ein wichtiges Anliegen für dich ist es auch, anderen Mut zu machen. Unter anderem habt ihr auch eine Kooperation mit der Hochschule Darmstadt. Erzähle uns, um was es sich dabei handelt!
Marion: Ja, das stimmt, ich wünsche mir mehr Frauen in der Technik und möchte Nachwuchsförderung unterstützen. Daher habe ich im letzten Jahr eine Kooperation mit der Hochschule Darmstadt für das Hessen Technikum angestoßen und schnell Unterstützer*innen bei Vodafone gefunden. Das Programm läuft jedes Jahr von Oktober bis März und richtet sich an Abiturientinnen mit Interesse an MINT-Fächern wie beispielsweise Mathematik oder Physik und die sich noch unsicher sind, ob sie ein technisches Studium beginnen wollen. In sechs Monaten absolvieren die Teilnehmerinnen zwei Berufspraktika in zwei Kooperationsunternehmen (an vier Tagen pro Woche) und sie durchlaufen gleichzeitig ein Schnupperstudium in den MINT-Bereichen an der Hochschule (an einem Tag pro Woche). Wir haben zwei Abiturientinnen einen Praktikumsplatz angeboten – sie hatten die Chance, unterschiedliche Technik-Abteilungen kennenzulernen und ein eigenes kleines Projekt umzusetzen – einen DSL-Speed-Test zu programmieren. Es hat sehr viel Spaß gemacht, die beiden Technikant*innen bei ihrer Studien-Wahl zu unterstützen. Besonders freut mich, dass eine Praktikantin jetzt ein Informatik-Studium begonnen hat.
Mut kann auch etwas mit Demut und Dankbarkeit zu tun haben. Wem bist du dankbar? Oder in welchen Situationen erlebst du dich als demütig?
Marion: Ich bin vielen Wegbegleitern*innen bei Vodafone dankbar – insbesondere meinen Mentor*innen, meinen Vorgesetzten, die mir durch die Übertragung anspruchsvoller Aufgaben eine stetige Weiterentwicklung und Wachsen in meiner Rolle ermöglichen. Aber auch meinem wunderbaren Team, das mit mir gemeinsam mutig neue Wege einschlägt.
Was möchtest du vor allem jungen Frauen ganz allgemein mit auf den Weg geben? Oder vielleicht auch Männern? Und was vielleicht denjenigen, die sich speziell für eine Karriere im Bereich Technik interessieren?
Marion: Auch wenn ihr in der Schule oder im Studium wenig Berührungspunkte zu Technik hattet, seid mutig und traut euch diesen Weg einzuschlagen.
In der Technik ist es keinen Tag langweilig, denn du suchst Lösungen für aktuelle Probleme, befasst dich mit den Fragestellungen von morgen und treibst Innovationen voran. Natürlich sind diese Aufgaben häufig auch herausfordernd – aber das lohnt sich und bringt auch dich selbst jeden Tag ein Stück weiter. Wenn du wissbegierig und neugierig bist – dann kann ich dir einen Job in der Technik absolut empfehlen.