In vielen Kulturen und Mythologien wird der Phönix als Synonym für einen mythischen Vogel mit Wunderkräften beschrieben. Ein Feuervogel, der am Ende seiner Lebenszeit in Flammen aufgeht und aus seiner Asche neu geboren wird. Die Auferstehung im eigenen Licht also. Wenn ich nun an Phenix Kühnert denke, könnte diese Versinnbildlichung nicht treffender sein: Erst seit einigen Jahren lebt Phenix offen als Transfrau, heute spricht sie offen über ihre eigene Reise und wichtige Themen, die diesen Weg noch lange nicht zum Stillstand bringen. Wie ein Phönix selbst erfindet sich Phenix ständig neu, bleibt sich selbst dabei aber immer treu: Ob als Autorin, Model, Aktivistin, Podcasterin oder Sängerin – sie steht für sich und ihre Ziele in lodernden Flammen und dann heißt es: Rise like Phenix!
Liebe Phenix, erzähle uns doch erst mal ein wenig von dir und deiner persönlichen Reise zu deinem ich im Hier und Jetzt.
Meine persönliche Reise war vor allem die letzten Jahre rasant. Ich habe sie manchmal mit einem ICE verglichen, der über das Land rast. Ich wünschte mir oft, dass er irgendwann irgendwo mal anhält. Dann wurde mir aber bewusst, dass das Stillstand bedeuten würde. Also kam ich zur klischeehaften Erkenntnis des Weges als Ziel und lebe genau das seither.
In den 90ern in Lübeck geboren bin ich vor gut einem Jahrzehnt in die Hauptstadt Berlin gezogen, um hier berufliche Chancen, aber auch private Offenheit zu erfahren und wahrzunehmen. Über die Zeit habe ich meinen beruflichen wie privaten Ziele näherkommen können, habe ein Buch geschrieben, Filme sowie Serien gedreht und jüngst meine Debüt-Single „When We Dance“ veröffentlicht. Ich bin glücklicher und „angekommener“ denn je.
Du betonst explizit, dass du dich nicht nur als Transfrau identifizierst, sondern Transfrau bist. Inwiefern ist diese Unterscheidung wichtig für dich?
Vor allem in den letzten Jahren wird aus transfeindlichen Kreisen angenommen Menschen würden sich einfach „irgendetwas anidentifizieren“. Aber so sieht meine Realität nicht aus. Ich bin einfach wer ich bin. Ich stehe nicht jeden Morgen auf und denke darüber nach, wie es ist, trans zu sein. Ich bin erst mal Mensch. Trans zu sein ist einer von vielen Bausteinen, die mich ausmachen.
Ich stehe nicht jeden Morgen auf und denke darüber nach, wie es ist, trans zu sein. Ich bin erst mal Mensch.
Dein Buch trägt den Titel „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“. Was beinhaltet das konkret für dich?
Es ist inspiriert von Gertrude Steins Zitat „A rose is a rose is a rose“. Auf der einen Seite beleuchtet es wie wichtig Sprache ist und Dinge erst zu diesen werden, wenn wir sie auch so benennen, auf der anderen Seite zeigt es aber auch die Absurdität des Ganzen.
Inwiefern hast du selbst transfeindliche Diskriminierung erlebt und wie gehst du damit um?
In so vielen Bereichen erlebe ich Diskriminierung und Anfeindungen, dass all das den Rahmen sprengen würde. Ganz konkret ist beispielsweise seit über 40 Jahren das Transsexuellengesetz nach wie vor in Kraft, das transfeindlich und diskriminierend ist und verhindert, dass ich im Ansatz gleichberechtigt leben kann. Alleine der Name zeigt, wie wenig modern das Gesetz ist. Das Wort „transsexuell“ suggeriert, es würde um eine Sexualität gehen. Aber darum geht es bei Transgeschlechtlichkeit in erster Linie nicht. Sondern um Identität. Wer ich bin, nicht auf wen ich stehe.
Das Wort „transsexuell“ suggeriert, es würde um eine Sexualität gehen. Aber darum geht es bei Transgeschlechtlichkeit in erster Linie nicht. Sondern um Identität. Wer ich bin, nicht auf wen ich stehe.
Laut einer Studie von TransActual (2021) gaben mehr als 70% der amerikanischen transgender*-Personen an, dass Transfeindlichkeit in den Medien ihre psychische Gesundheit negativ beeinflusst hat. Visibility bedeutet demzufolge nicht gleich Security und online Sphären sind nicht unbedingt safe spaces. Hast du dennoch das Gefühl, die steigende Digitalisierung hilft der Community mehr inkludiert zu werden?
Die Digitalisierung hilft der Community vor allem sich zu vernetzen. Ich habe selbst in meiner Jugend viel die Flucht ins Internet gesucht, weil ich dort Menschen finden konnte, die ein Leben zu leben schienen, wie ich es mir erträumte. Eine Form von Repräsentation, die es in den klassischen Medien vor allem zu der Zeit nicht gab. Zum Glück wird der mediale Umgang mit marginalisierten Gruppen respektvoller, aber wir sind noch lange nicht an einem wirklich zufriedenstellenden Punkt. Wahrscheinlich ist es aber auch ein grundsätzliches Problem vieler Medien: Eine reißerische Headline hat mehr Relevanz als das Wohl einzelner Personen oder ganzer Gruppen.
Neben deiner Tätigkeit als Model, Speakerin, Autorin und Sängerin bist du auch LGBTQIA+ – Aktivistin. War es für dich selbstverständlich, Aktivistin zu werden?
Ich selbst bezeichne mich gar nicht so gern als Aktivistin, weil ich manchmal das Gefühl habe, dass ich dafür Petitionen starten und Gesetze umschreiben müsste. Meine Art von Aktivismus ist eher das Teilen meiner Lebensrealität um so für mehr Empathie und damit mehr Akzeptanz und Toleranz in unserer Gesellschaft sorgen zu können. Als ich vor einigen Jahren merkte, wie wenig aufgeklärt auch mein Umfeld in Berlin war, stand für mich fest, dass ich für mehr Wissen sorgen möchte.
Die österreichische Aktivistin Steffi Stankovic sagte in einem Interview: „Ich habe das Gefühl, der heutige Feminismus befindet sich in einer Art Wettkampf, wem es am schlechtesten geht.“ Was bedeutet Feminismus für dich und wie sollte dieser heute aussehen?
Hierzu berufe ich mich immer gern auf die Definition von Feminismus. Denn diese beschreibt für mich schon ganz genau, was es bedeutet: Gleichberechtigung für ALLE Geschlechter.
Feminismus bedeutet Gleichberechtigung für ALLE Geschlechter.
Wie können wir eine trans*inklusive Gesellschaft gestalten?
Betroffenen zuhören, Betroffene mitdenken und ernst nehmen, Privilegien hinterfragen, Berührungsängste durch Aufklärung abbauen, Sicherheit für die queere Community schaffen; mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die nächsten Jahre nicht immer wieder traurige Rekorde an Gewalttaten, Morden und Angriffen an queeren Menschen aufstellen.
Du bringst einen neuen Song mit dem Titel „When we dance“ heraus. Was für eine Message möchtest du damit vermitteln?
Mein Song fühlt sich an wie ein Besuch in einem queeren Club. Ich möchte Queerness, Freundschaft, Selbstliebe und Popmusik zelebrieren. Und ich halte es auch für wichtig als offen queere Person Spaß zu haben. Natürlich erleben wir nach wie vor viel Diskriminierung, die gesehen werden muss, trotzdem habe ich das große Glück auch solche Karriereschritte umsetzen zu können. Ich bin trans und ich darf glücklich sein.
Welche Frage über deine Gender Identity möchtest du nie wieder beantworten?
Die Liste ist lang! *lacht*
Uns ist es wichtig, dass wir Feminismus als „Each for Equal“ leben, und nicht nur für die Rechte weißer CIS-Frauen kämpfen. Welche Botschaft würdest du gerne mit „Each for Equal“ an die Community senden?
Ich als Transfrau nehme keiner Frau das Frausein weg. Ich mache es facettenreicher.
Ich als Transfrau nehme keiner Frau das Frausein weg. Ich mache es facettenreicher.
Danke an Phenix Kühnert, für deine Zeit, Gedanken und deine Arbeit!
Photocredits: © Lina Tesch