Es ist 23 Uhr und in einer verrauchten Bar wird ein Lied lauter gedreht. Die Gäst*innen horchen auf, summen nostalgisch mit und starren wehmütig in die Ferne: „Forever young, I want to be forever young” … singt ein junger Rod Stewart. Diese Zeilen scheinen weltweit unweigerlich eine Sehnsucht nach der Vergangenheit auszulösen. Sehnsucht nach Träumen, die noch nicht vom Alltag vehement in den Hintergrund gerückt wurden. Sehnsucht nach naiv klingenden Möglichkeiten und vor allem Sehnsucht nach einer unendlich wirkenden Zeit.
Seit jeher, romantisiert die Gesellschaft das Jung sein, statt das Älter werden zu zelebrieren. Mit einer TV- und Medienindustrie, die sich der Darstellung des idealistischen Lebens von jungen Menschen verschrieben hat, werden unrealistische Maßstäbe für alle Generationen gesetzt. Die Ursprünge dieser Jugendromantisierung lassen sich bis in das späte 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Diese Ära war geprägt von wachsender Industrialisierung, so wurde die Idee der Jugend als „goldenes Zeitalter“ geboren. Dem gegenüber steht ein korruptes Erwachsensein, welches die jungen Träume verrät. Dies schuf bereits zu frühen Zeiten eine Ideologie, die in unserer Kultur weitergelebt wird: Der unschuldigen Jugend wird für immer nachgetrauert. Denn in der Gesellschaft, ist die Jugend das physische Äquivalent zu Zeit und Potenzial – Attribute, die weltweit begehrt sind.
Sowohl die Jugend als auch das Älter werden ist jedoch nicht nur eine körperliche, sondern auch eine psychische Einstellung. Die Romantisierung der Jugend und einseitige Betrachtung des Älterwerdens, schafft nicht nur eine unzuverlässige Narrative, sondern erschafft Lager: Die Jungen und die Alten. Es grenzt Altersgruppen aktiv voneinander ab, wodurch Missverständnisse und Generations-Stereotypen geboren werden.
Gründe dafür sind unter anderem Mainstream-Medien, die sich kaum an Menschen über dreißig richten. Diejenigen, die dies tun, zeigen singuläre Aspekte wie Mutterschaft oder das Arbeitsleben im Unternehmen. Die Vorstellung, dass das Leben nach der Jugend endet, kann das Älterwerden unverständlich erscheinen lassen und wird durch die einseitigen Beispiele für Glück im Erwachsenenalter noch verschärft. Wenn Hochzeit, Kinderwünsche oder das Erklimmen der Karriereleiter, nicht realisiert wird? Woraus schöpft man sonst seine Zufriedenheit im laufenden Alter? Von „Anti-Aging“-Gesichtscremes bis hin zu „OK, Boomer“-Memes ist die Botschaft klar: Alt zu sein ist etwas, das man hinauszögern sollte. Folglich hat Altersdiskriminierung eine Vielzahl negativer Auswirkungen auf das körperliche und geistige Wohlbefinden der Menschen und die Gesellschaft als Ganzes. Darüber hinaus werden die negativen Stereotypen, die die Altersdiskriminierung befeuern, oft falsch dargestellt.
Jede Generation ist Opfer bestimmter Stigmata und dadurch gesellschaftlich abgegrenzt zu anderen Altersgruppen.
Abgrenzungen führen unweigerlich auch zu Diskriminierung, so auch die Altersdiskriminierung, auch Ageism genannt. Altersdiskriminierung wird als Diskriminierung älterer Menschen aufgrund negativer und falscher Stereotypen definiert – und ist so tief in unserer Kultur verwurzelt, dass wir es oft nicht einmal bemerken. Die meisten Unternehmen haben zwar mittlerweile Abteilungen für Diversity, Equity und Inclusion (DEI), um Probleme wie Rassismus und geschlechtsspezifische Vorurteile anzugehen, doch selbst in diesen Abteilungen steht Altersvoreingenommenheit selten auf dem Radar. „Ageism ist dieses seltsame ‚-ism‘, da es in vielerlei Hinsicht immer noch gesellschaftlich akzeptiert ist“, sagte der ehemalige Präsident der APA-Abteilung. „Altersdiversität sollte mit anderen DE&I-Initiativen gleichberechtigt am Tisch sitzen, da Altersdiversität jedem Raum unterschiedliche Perspektiven hinzufügt.“
Studien zeigen, dass die Förderung des Kontakts und der Teamarbeit mit Mitglieder*innen aller Altersgruppen einen besseren Austausch von Perspektiven ermöglicht. Die altersübergreifende Interaktion kann dazu beitragen, Stereotypen abzubauen, indem Mitarbeiter*innen verschiedener Generationen die Möglichkeit gegeben wird, sich als echte Menschen kennenzulernen. Es fördert organisationsübergreifende Netzwerke und kontinuierliches Lernen. Es kann jüngeren, neueren Mitarbeiter*innen einen Weg bieten, ihren älteren Kolleg*innen potenzielle Schwächen der bestehenden Unternehmenskultur zu erklären. Es kann auch älteren Arbeitnehmer*innen ermöglichen, institutionelles Wissen und Erfahrungen mit Millennials und Kolleg*innen aus der Generation Z zu teilen.
Age-Diversity wird vor allem in Unternehmensstrukturen immer relevanter. Menschen gehen später in Rente, was zu einer größeren Altersdiversität am Arbeitsplatz führt. Vor 50 Jahren, waren in den USA nur 40 % der Belegschaft über 40 Jahre alt. Heute haben sich diese Zahlen umgekehrt: 54 % der Belegschaft sind über 50 Jahre alt, da viele Personen länger arbeiten und leben als früher Generationen. Es gibt vier Generationen, die zeitgleich in der heutigen Arbeitswelt aktiv sind: Babyboomer, Generation X, Millennials (z. B. Generation Y) und Generation Z. Insbesondere Millennials bilden die zweitgrößte Gruppe von Mitarbeiter*innen. Das bedeutet, dass unsere Arbeitskräfte vielfältiger denn je sind. Jede dieser Generationen hat unterschiedliche Stärken, Vorlieben und Arbeitsstile, die durch die Welt, in der sie aufgewachsen sind, ihre Lebensphase und ihre beruflichen Erfahrungen bestimmt werden.
Wie andere Formen der Diversität wirkt sich auch die Generationenvielfalt direkt auf den Erfolg eines Unternehmens aus. Untersuchungen zeigen außerdem, dass nicht nur ältere Generationen Altersdiskriminierung ausgesetzt sind. Auch jüngere Erwachsene können im beruflichen Kontext mit mit Stereotypisierungen konfrontiert sein, da ihr wahrgenommener „Mangel an Erfahrung“ zu niedrigeren Lohnangeboten oder Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche führt.
Bei der Generationenvielfalt geht es jedoch nicht nur um die Überwindung von Altersdiskriminierung. Es geht darum, neue und alte Perspektiven zu vereinen und daraus eine neue, holistischere zu schaffen.
Wir wollen daher diesen Monat die Vision einer Welt beleuchten, in der Alt und Jung auf Augenhöhe mit- und voneinander lernen, ein gemeinsames Leben leben und Berührungsflächen schaffen. Eine Gesellschaft, deren tägliches Handeln auf Mitmenschlichkeit und von Herzen kommendem Respekt vor dem Alter und der Jugend basiert. Das Gemeinsame steht vor dem Trennenden. Denn es sind die älteren Menschen, die uns ins Jetzt gebracht haben. Wir lernen von und mit ihnen. Und entwickeln unser aller Mensch-Sein mit der Veränderungskraft des Neuen weiter. Denn, sorry Rod Stewart, aber man muss nicht Forever young sein, um das Leben zu genießen. We don’t want to be Forever Young, we want to be forever learning und wollen Generationenübergreifend geschätzt werden.