Unsere heutige Arbeitswelt ist dynamischer denn je. Karrierepfade werden vielfältiger, Arbeitszeitmodelle individueller. Klar, wir wollen uns in unsere Jobentscheidungen nicht reinreden lassen. Trotzdem sehnen wir uns hin und wieder nach Menschen, zu denen wir aufschauen. Role Models können uns eine Richtung im Dschungel der Möglichkeiten aufzeigen und uns als Mentor*innen auf dem Weg begleiten. Wir haben mit zwei von ihnen aus dem EY-Netzwerk gesprochen: Katharina Rapp, Partnerin im Bereich International Tax and Transaction Services und Mitbegründerin des EY Women Network Germany, sowie Nora Charlotte von Obstfelder, Senior Manager im Bereich Strategy and Transactions für Banken und Versicherungen. Im Interview berichten sie, wie weibliche Role Models bei EY andere Frauen in ihrer beruflichen Entwicklung stärken und warum Networking noch immer so wichtig ist – gerade für Frauen.
Hallo Katharina, hallo Nora, welche Bedeutung haben Role Models und Netzwerke?
Katharina Rapp (KR): Sie sind enorm wichtig, da man sich im Hinblick auf Karrierefragen in der heutigen Zeit leicht verloren fühlen kann. Das liegt zum einen daran, dass Menschen viel seltener im Office arbeiten und es damit sehr viel weniger Gelegenheiten zu persönlichem Austausch gibt, und zum anderen an den schier unendlichen Möglichkeiten.
Nora Charlotte von Obstfelder (NvO): Als junge, motivierte Berufseinsteigerin wusste ich damals nicht, welche Fragen ich stellen muss, wie ich mich am besten aufstelle und welchen Weg ich gehe. Ich habe mich durch meine Interessen treiben lassen und alles an Erfahrung mitgenommen, was sich mir geboten hat: verschiedenste Projekte, Übernahme von Projektverantwortung, Auslandserfahrung. Den Wert von Mentoring und Netzwerken habe ich erst viel später erkannt. Die jungen Kolleginnen heute erscheinen mir wesentlich zielorientierter und haben das Bedürfnis nach einem definierten Weg. Diesen gibt es aber bei Unternehmen wie EY nicht – zum Glück, denn das schafft wiederum viel mehr Chancen. Durch Netzwerke und Mentoring unterstützen wir Kolleginnen, ihren Weg zu finden, geben Denkanstöße und machen Mut.
Katharina, du bist eine der Gründerinnen von Women Network Germany, ein internes Netzwerk für Kolleginnen bei EY. Warum habt ihr es gegründet?
KR: Ich hatte in den vergangenen Jahren das Glück, von starken Persönlichkeiten unterstützt und gefördert worden zu sein. Leider ist das auch heute noch immer nicht selbstverständlich. Die Idee für das Women Network Germany kam aus dem Wunsch heraus, dass jede Frau von einem Netzwerk profitieren kann, das ihr hilft, die täglichen Herausforderungen zu meistern, sie fördert und manchmal auch etwas fordert. Unser Netzwerk ist für alle Frauen bei EY gedacht, egal, welcher Service Line (Steuer- und Rechtsberatung, Strategy & Transaction, Consulting oder Wirtschaftsprüfung) sie angehören oder welche Position sie innehaben. Wir möchten Raum für den persönlichen Austausch bieten und – was ganz wichtig ist – einander inspirieren.
Welche Bedeutung haben Role Models dabei?
KR: Role Models sind aus meiner Sicht essenziell, da sie häufig den notwendigen Denkanstoß geben und Frauen – die vielleicht bisher an ihren Fähigkeiten gezweifelt haben oder unsicher waren – ermutigen können, den nächsten Schritt zu gehen. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass der Begriff des „Role Models“ immer sehr „groß“ klingt und man meinen könnte, es ginge hier um Perfektion. Darum geht es aber nicht. Role Model kann jede von uns sein, unabhängig von Alter und Position.
Noch immer ist euer Bereich sehr männerdominiert. Wie hat sich das Thema Gender Diversity in den letzten Jahren entwickelt?
KR: In meinem Bereich, der Steuerberatung, ist das Thema etwas weniger dramatisch als in anderen Service Lines wie zum Beispiel Strategy & Transactions oder Consulting. Dennoch gibt es auch in der Steuer- und Rechtsberatung noch genug zu tun, insbesondere im Hinblick auf den Anteil der Frauen in höheren Positionen, zum Beispiel Senior Managerinnen oder Partnerinnen. Wir sehen hier zwar eine Verbesserung im Vergleich zu vor fünf oder zehn Jahren, aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.
Nora, du arbeitest demnach in einer der „dramatischeren“ Service Lines. Wie sehen denn die Herausforderungen und Chancen in den Bereichen Banken und Versicherungen aus?
NvO: Die Finanzwelt ist immer noch sehr männlich. Ich denke, je mehr wir durch Role Models aufzeigen können, dass man als Frau und Mutter im Bereich Banken und Versicherungen erfolgreich sein kann, und je mehr Frauen wir dadurch für die Branche gewinnen können, desto weniger männerdominiert wird das Umfeld. Und das macht es dann wiederum attraktiver für Frauen. Wir suchen auf jeden Fall Bewerberinnen für diese Service Line, weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass diverse Teams erfolgreicher sind.
In dieser männerdominierten Branche hast du dich durchgesetzt und bist bis zur Senior Managerin aufgestiegen. Du hast drei Söhne und arbeitest in Teilzeit. Wie balancierst du Beruf und Familie und welchen Rat gibst du Frauen in ähnlichen Situationen?
NvO: Es braucht ein hohes Maß an Multitasking-Fähigkeit, Energie und vor allem Struktur. Ohne unser großes Whiteboard im Eingangsbereich, auf dem für jedes Familienmitglied in unterschiedlichen Farben alle Sport-, Arzt-, Schul- und Bürotermine eingetragen werden, würden wir nicht klarkommen. Hier stehen mein Mann und ich sonntags und besprechen, wer wen wann fährt bzw. zu Hause ist, welche Auswärts- oder Abendtermine wir haben und was sonst noch organisiert werden muss. Frauen entwickeln oft zu wenig Selbstbewusstsein, obwohl sie als Familienmanagerinnen eine Menge stemmen. Damit sollten sie ruhig etwas offensiver umgehen, gerade wenn sie in einem überwiegend männlichen Umfeld arbeiten, wo vielleicht nicht jeder weiß, was sie so leisten, wenn sie gerade nicht im Büro sind.
Wie unterstützt EY weibliche Talente dabei, Fuß zu fassen und aufzusteigen?
KR: Leider bieten viele Unternehmen Mentoring nur denjenigen Mitarbeitenden an, die die Karriereleiter schon ein gutes Stück hinaufgestiegen sind. Es ist aber wünschenswert, schon früher zu starten, nicht zuletzt, um die Leute auf den unteren Positionen im Unternehmen zu halten. Bei EY haben wir deshalb ein internes Mentoring-Programm für alle Hierarchiestufen ins Leben gerufen und können uns bereits über mehr als 400 Frauen freuen, die sich als Mentorinnen und Mentees zusammensetzen.
NvO: Unsere Kolleginnen lernen sich über das Programm untereinander besser kennen und merken schnell, wie wertvoll dieser Austausch ist und wie viel man dabei mitnehmen und auch selbst weitergeben kann. Wie Katharina schon sagte, wird Mentoring oft nur für höhere Karrierestufen angeboten. Gerade wenn man keinen „typischen“ Karriereweg geht, ist so etwas für die Orientierung sehr hilfreich. Außerdem kommen unsere Berufseinsteiger:innen heute aus ganz unterschiedlichen Backgrounds, was ein diverses Team ja ausmacht.
Was sind eure persönlichen Ziele in Bezug auf Mentoring, Role Models und Netzwerke für die nächsten Jahre?
NvO: Mein Ziel ist es, den Bereich, in dem ich arbeite, für Frauen attraktiver zu machen, um mehr Bewerbungen von Kandidatinnen zu bekommen und die Kolleginnen langfristig zu halten. Dafür ist es wichtig, als Role Model immer wieder präsent zu sein und aufzuzeigen, wie es auch als Dreifachmutter gelingen kann, in diesem Bereich erfolgreich zu sein.
KR: In einer idealen Welt sind all diese Bausteine in ein paar Jahren eine Selbstverständlichkeit. Und wenn wir so weitermachen wie bisher, ist das ein durchaus realistisches Szenario. Die letzten Monate haben bereits gezeigt, wie viele inspierende Frauen wir in unseren Reihen haben, die ihre Erfahrungen teilen möchten und mit uns an dieser Vision arbeiten.
Zum Abschluss: Welche Botschaft möchtet ihr Frauen mit auf den Weg geben, die ihre Karriere starten oder vorantreiben möchten?
NvO: Be bold! Macht euch nicht klein, seid euch eurer Stärken bewusst und setzt euch ein. Traut euch und gebt nicht zu schnell auf. Wir können Gegenwind, Hürden und Steine im Weg meistern, indem wir uns Verbündete suchen, Ideen aufzeigen und ganz klar artikulieren, was und wohin wir wollen.
KR: Vollste Zustimmung!
Wir danken Katharina Rapp und Nora Charlotte von Obstfelder für ihre Einblicke und inspirierenden Worte. Ihr Engagement für Mentoring, die Förderung von Role Models und den Aufbau von Netzwerken ist nicht nur für EY, sondern auch allgemein für die Wirtschaft von unschätzbarem Wert. Ihre Botschaften der Stärke, des Mutes und des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten sind ein Leitfaden für alle Frauen, die ihre Karriere starten oder vorantreiben möchten. Wir freuen uns, die Entwicklung des EY Women Network Germany weiter zu verfolgen und die Erfolge, die aus diesen wichtigen Initiativen hervorgehen, mit unserer GDW-Community zu teilen.