Gelebte Diversität ist für die Deutsche Bahn seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit. Im Konzern arbeiten Menschen aus vier Generationen und aus mehr als 100 Kulturkreisen. Die Unterstützung und Integration von Geflüchteten ist ein wichtiger Bestandteil der Vielfalt bei der DB.
Schon zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015 reagierte die DB schnell. Zunächst mit der Bereitstellung von Zügen zur Weiterfahrt, dann mit dem Ausbau bestehender Programme wie „Chance Plus“ und schließlich mit der Entwicklung des Programms „Check-up für Geflüchtete“. Denn: Bald war klar, dass viele der Geflüchteten für eine längere Zeit bleiben würden und dringend eine Perspektive benötigten.
- Das Programm „Chance Plus“, mit dem bereits seit 2004 Jugendliche mit einer Einstiegsqualifizierung unterstützt werden, wurde erweitert: In Klassen für Geflüchtete aus unterschiedlichen Ländern wie Syrien, Iran oder Afghanistan gibt es zusätzlich eine sprachliche Qualifizierung, die das Programm begleitet.
- Darum hat die DB auch im April und Mai in diesem Jahr vierwöchige „Check-ups für Geflüchtete“ ins Leben gerufen. Das Ziel war, sowohl rudimentäre Sprachkenntnisse zu vermitteln als auch DB-Betriebe vorzustellen und generell Einblicke in die deutsche Kultur zu bieten. Das war ebenfalls ein Learning von 2015/16. Die Geflüchteten damals waren sehr dankbar, einen festen Tagesablauf zu haben.
Durch die Erfahrungen seit 2015 kann die DB heute schneller, umfassender rund gezielter unterstützen. Die Hilfsangebote damals lagen nicht fertig in der Schublade. Mit einer Mischung aus Kreativität, Improvisation und der starken Bereitschaft, schnell und unkompliziert zu helfen, konnten Programme entwickelt und umgesetzt werden.
Zum Beispiel dauerte der Prozess des Ankommens damals zu lange und war für alle Beteiligten nervenzehrend. In ganz Deutschland gab es administrative Probleme und so manche Chance wurde dadurch vertan, dass Geflüchtete in der Zwischenzeit in ihren Communities angekommen und nicht mehr oder nur schwer erreichbar für Job- oder Qualifizierungsangebote waren. In der aktuellen Ukrainekrise sind nun Verbesserungen deutlich zu spüren.
Ulrike Stodt, Expertin Bildungsprogramme & Bildungspolitik bei der DB, betont, wie wichtig eine berufliche Perspektive für Geflüchtete ist. Diese bringe Stabilität, erleichtere das Ankommen, vermittle wichtige sprachliche und landesspezifische Kenntnisse und schaffe damit eine langfristige Bleibeperspektive. Zur aktuellen Situation sagt sie: „Wir wussten: Wir müssen sehr schnell Angebote machen. Oft kommen Geflüchtete in Zügen nach Deutschland. Darum haben wir schon Ende März eine Beratungshotline frei geschaltet und Anfang April dann an vier großen Bahnhöfen Beratungszentren – gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit – geöffnet. Seither gab es per Hotline und vor Ort mehr als 2800 Beratungsgespräche.“ Eine eigene Landingpage auf Ukrainisch bzw. Russisch wurde eingerichtet, um über den Arbeitsmarkt und die Jobperspektiven bei der DB zu informieren. Die Seite wurde seither mehr als 41.000-Mal angeklickt.
Das Paket aus Beratung, Qualifizierung und Jobangeboten ist genau auf die Bedürfnisse der Geflüchteten zugeschnitten. Der Fokus liegt auf individueller Beratung, fachlichen Qualifizierungsangeboten und Angeboten für eine berufliche Ausbildung in eisenbahnspezifischen Berufen wie etwa Elektroniker*in oder Kaufmann*frau für Verkehrsservice. Auch allgemeine Informationen zu Anerkennungs- und Registrierungsverfahren und Hilfestellung bei der Beantragung von Fördermöglichkeiten sowie die Vermittlung von psychologischer Beratung sind unverzichtbar.
Integration ist ein Schlüssel für langfristige Perspektiven
Wenn es in der Folge darum geht, Geflüchteten über die Ersthilfe hinaus eine langfristige Perspektive zu bieten, sind Maßnahmen zur Förderung der Integration ein Schlüsselfaktor. Dazu hat die DB interne Integrationsmanager*innen und Vertrauenspersonen, die Geflüchtete beraten. Darüber hinaus unterhält die DB Kooperationen unter anderem mit Integrationscentern wie beispielsweise den „Welcome Centern“ sowie mit Organisationen und Initiativen aus dem Geflüchteten- und Asylbereich.
Eine wichtige Rolle für das Gelingen von Integration spielt das Projekt „Soziale und kulturelle Integration“, kurz SUKI. Das Projekt wurde von der Gewerkschaft EVG und der DB 2021 ins Leben gerufen und erhält inzwischen von der Stiftungsfamilie BSW & EWH (Bahn-Sozialwerk & Eisenbahn-Waisenhort) sowie dem Fonds soziale Sicherung Unterstützung. Bei SUKI gibt es sowohl die Möglichkeit einer individuellen Beratung als auch Unterstützung im Alltag wie beispielsweise im Rahmen des Soziallotsenprogramms. In diesem engagieren sich DB-Beschäftigte ehrenamtlich und begleiten Geflüchtete zum Beispiel bei Arztbesuchen oder Behördengängen.
Weitere wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Integration:
- Erstens: Sprache. Diese stellt eine wichtige Grundvoraussetzung dar, deren Fehlen die Integration in einen bestehenden Kolleg*innenkreis hemmen kann.
- Zweitens: Zeit. Viele Maßnahmen sind auf Schnelligkeit gepolt. Aber Integration braucht Zeit – allein aufgrund der vielen Themen, die angegangen werden müssen. Zudem brauchen Geflüchtete Zeit, um anzukommen.
Vielfalt heißt auch, vielfältige Herausforderungen zu bewältigen
Eine neue Sprache zu lernen, ist nur eine von vielen Herausforderungen, die sich Geflüchteten stellt. Vor dem Hintergrund einer beruflichen Qualifizierung kommt das Erlernen von Fachbegriffen und speziellem Berufsvokabular wie etwa der „Abisolierzange“ hinzu. Ebenfalls stellen kulturelle Unterschiede sowie die individuelle Situation zusätzliche Hürden dar: Viele Geflüchtete sind von ihren Familien getrennt, müssen sich in einem fremden Land zurechtfinden und haben erstmals mit der deutschen Bürokratie Kontakt. Auch gesundheitliche Aspekte wie die Bearbeitung von Traumata spielen eine große Rolle.
Es gibt also viele Herausforderungen, aber zugleich auch viele Möglichkeiten, zu helfen. Sei es durch die Beratung hinsichtlich der rechtlichen Lage, durch die Vermittlung von Kontakten, das Erklären von kulturellen Besonderheiten, Unterstützung bei Behördengängen und der Berufsanerkennung oder bei der Wohnungssuche sowie dem Kinder- und Familiennachzug. Oft geht es auch um Basics wie einen Laptop.
So gelingt der Berufseinstieg für Geflüchtete
Wenn es um die Einstellung von Geflüchteten geht, zählt nicht der schnelle Einstieg – etwa durch Minijobs oder Hilfsjobs –, sondern geht es um langfristige Perspektiven mit Hilfe von Qualifikationen. Das Ziel dabei ist, dass die Geflüchteten Fuß in Deutschland fassen und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Ein wichtiger und mitunter schwieriger Schritt dabei ist die Anerkennung von Abschlüssen.
Dabei kann dies abhängig vom jeweiligen Herkunftsland eine komplexe Angelegenheit sein. Je nachdem wie lang in einem Land Krieg herrschte, kann es sein, dass bestimmte Dokumente nicht mehr vorhanden sind. Auch die Fluchtbedingungen selbst haben einen Einfluss darauf, wie viele Dokumente noch im Besitz von Geflüchteten sind oder verloren gingen. Gleichzeitig sind die Anforderungen sowohl bei der Wiederbeschaffung als auch bei Behördengängen in Deutschland sehr hoch. Auch wenn der Weg manchmal lang und steinig ist, sollte doch das Ziel sein, für alle gleichermaßen gleiche Voraussetzungen zu schaffen, um auch die Chancengleichheit zu gewährleisten.
Cross Border Recruiting und der Fachkräfteneed
Viele dieser Themen beschäftigen die DB auch vor einem ganz ähnlichen Hintergrund. Auch wegen der Veränderungen am Arbeitsmarkt, dem demografischen Wandel und dem gestiegenen Bedarf an Fachkräften setzt die DB auf Vielfalt. Künftig werden verstärkt vielfältige Einstiegsoptionen benötigt, was auch heißt: Die Talente der Zukunft kommen auch aus dem Ausland. Da Stellen mitunter national nicht mehr besetzt werden können, setzt die DB auf Cross Border Recruiting, also das Recruiting von Fachkräften aus dem Ausland. Dafür stehen beispielsweise Länderrecruiter*innen bereit, die die jeweilige Sprache und den Arbeitsmarkt kennen.
Im Rahmen des Cross Border Recruiting werden Bewerber*innen vor Ort in ihrem Heimatland sprachlich qualifiziert und kommen meist mit B1-Level nach Deutschland. Dort erfolgt zunächst ein Pre-Boarding-Prozess, bei dem die Kandidat*innen auf das Leben in Deutschland ebenso vorbereitet werden wie der gesamte Bewerbungsprozess begleitet wird – angefangen von der Stellenausschreibung, über die Organisation von Sprachkursen bis hin zur Integration des Mitarbeitenden und dessen Familie in Deutschland.
Eine neue Normalität entsteht
Nicht nur wegen des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels müssen Unternehmen wie die DB neue Wege beim Recruiting gehen. Auch aufgrund von neuen Gesetzen wie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird die Talentsuche im Ausland zur Norm werden. Für Unternehmen und Konzerne wie die DB bedeutet das, dass sie sich am besten schon heute auf die Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und Anforderungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einstellen und vorbereiten.
Silja Steinert, Team Lead Cross Border Recruiting: „Aktuell dient das Recruiting im Ausland vor allem dazu, für stark nachgefragte technische oder bahnspezifische Berufe Fachkräfte zu finden.“ Dabei arbeitet die DB vor allem auf den europäischen Arbeitsmärkten. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Bedarf in den kommenden Jahren durch den demografischen Wandel stark steigen wird. Zudem steht EU-Bürger*innen der Binnenarbeitsmarkt ohnehin offen. Schon heute rekrutiert darum die DB auch in Drittstaaten wie beispielsweise den Balkan-Ländern, der Türkei und vor dem Kriegsbeginn auch der Ukraine. In einem gemeinsamen Pilotprojekt mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung werden nun auch Fachkräfte und Auszubildende in Nordafrika rekrutiert.
Wenn es um Cross Border Recruiting geht, sei aber auch das Thema Fachkräftesicherung entscheidend. Da in Deutschland auch andere Unternehmen um Fachkräfte werben, sei es wichtig, „nachhaltige Prozesse auf- und auszubauen“, so Silja Steinert. Gelebte Diversität sei hier ein wesentlicher Bestandteil der Strategie, da ein gutes Miteinander im Team sicherstellen könne, Mitarbeiter*innen langfristig zu binden. Was bedeutet es wirklich, Diversität zu leben?
Mit den eingangs beschriebenen Hilfeleistungen für Geflüchtete ist nur der erste von vielen weiteren Schritten getan, wenn es darum geht, Menschen aus anderen Ländern eine neue Perspektive zu bieten. Denn es geht um weit mehr. Mindestens ebenso wichtig ist es, das eigene Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit Menschen aus unterschiedlichsten Ländern, sozialen Schichten und persönlichen Geschichten, Vorstellungen und Erfahrungen vorzubereiten.
Diversität zu leben bedeutet darum, beide Seiten entsprechend vorzubereiten und mit den nötigen Fähigkeiten, Skills und Wissen auszustatten. Interkulturelle Trainings und Sensibilisierungskurse können sowohl Menschen aus anderen Ländern auf die Arbeit in Deutschland vorbereiten, aber ebenso die Arbeitskultur so gestalten, dass eine gute Zusammenarbeit möglich ist. Das erfordert die Bereitschaft auf beiden Seiten, offen zu sein für das Neue und Andere und gemeinsam ein neues Miteinander zu leben.
Diversität leben heißt interkulturelles Lernen auf beiden Seiten
Damit Integration gelingt und Diversität zum gelebten Bestandteil der Arbeitskultur wird, braucht es Sensibilisierung und Bereitschaft zu lernen auf beiden Seiten. Bei der DB geschieht dies durch interkulturelle Trainings zur Sensibilisierung für damit verbundenen Themen. Auch die Kolleg*innen im Betrieb bzw. den Teams, in denen geflüchtete Menschen arbeiten, müssen vorbereitet werden. Diese brauchen ebenfalls Unterstützung und vor allem ein offenes Ohr für ihre Gedanken und Sorgen. Dabei ist es wichtig, einen geschützten Raum anzubieten, in dem alle Fragen gestellt und auch Dinge angesprochen werden können, die man sich vielleicht sonst nicht traut auszusprechen. Neben solchen Formaten braucht es Workshops zur Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen, um die Kolleg*innen zu sensibilisieren und entsprechend vorzubereiten.
Diversität jetzt!
Wie wichtig es ist, schnell zu handeln und frühzeitig die Weichen zu stellen, wird auch aus einer anderen Perspektive klar: „Beim Recruiting ist es uns wichtig, keine falsche Hoffnung zu machen, sondern konkrete Perspektiven anzubieten. Beim Thema Integration und Qualifizierung zählt insbesondere nachhaltige Qualifizierung all derer, die wir einstellen können“, sagt Michaela Bergmaier, Recruiting-Spezialistin für die Bereiche Flucht und Migration. Michaela Bergmaier unterstreicht hier zum einen die Rolle von SUKI, aber auch von begleitenden Sprachtrainings und Programmen wie Nachhilfen, bei denen Ausbilder*innen mit Geflüchteten durch den Lernstoff gehen. All das benötige aber vor allem eines: Zeit. Der gesamte Prozess der beruflichen Qualifizierung, der Anerkennung der (akademischen) Abschlüsse und der betrieblichen Integration kann länger als ein Jahr dauern.
Fazit: Warum Diversity zum Standard der neuen Arbeitskultur werden muss
Die Arbeit mit Geflüchteten zeigt beispielhaft, welche wichtige Rolle Vielfalt für das Miteinander spielt und umgekehrt. Gleichzeitig wird im Alltag deutlich, wie viele Dimensionen Diversität hat – angefangen von ethnischer und sozialer Herkunft, über Alter, Geschlecht, Sexualität und Religionszugehörigkeit bis hin zu Unterschieden in der Persönlichkeit, der individuellen Erfahrungswelt und Lebensentwürfen. Die DB beschreibt ihr Bekenntnis zu Vielfalt mit der Initiative #Einziganders und hat dies fest in ihrer Konzernstrategie „Starke Schiene“ verankert. Das Engagement bei der Hilfe von Geflüchteten ist damit Ausdruck einer Überzeugung.
Wenn es darum geht, neue Wege zu finden und zu erproben, und Diversity tatsächlich zu leben, ist die DB auf die Zukunft vorbereitet. Dies zeigt sich auch in der Anerkennung etwa durch die Einladung zum Global Refugee Forum 2019 durch die UNO-Flüchtlingshilfe, zu dem Unternehmen eingeladen waren, die sich in besonderem Maße für Geflüchtete engagieren, die Auszeichnung mit dem HR Excellence Award 2021 in der Kategorie Diversity & Inclusion Management mit der Kampagne zum Aktionstag für Geflüchtete „Chancengeberin DB – wir kennen keine Grenzen!“ oder jüngst mit dem Trendence Award in der Kategorie „Unternehmen helfen Menschen“ für das DB Beratungs- und Unterstützungsangebot für ukrainische Geflüchtete. Aber nicht nur die bisherigen Erfolge sprechen für den Kurs, den die DB eingeschlagen hat. Vielmehr spiegelt die Diversität innerhalb des Unternehmens die Diversität der Gesellschaft insgesamt.
Hier gibt es noch weiterführende Informationen zum Thema Diversity bei der Deutschen Bahn.