Marie Padberg ist Partner und Global Leader für Talentgewinnung bei McKinsey. In diesem exklusiven Interview gibt sie Einblicke in ihren beeindruckenden Karriereweg, spricht über die Rolle der digitalen Transformation in der modernen Personalgewinnung und die Bedeutung von Diversität und Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Im Interview erfährst Du zudem, welche innovativen Ansätze McKinsey verfolgt, um die besten Talente zu gewinnen, und erhältst wertvolle Ratschläge, was für eine Karriere im Bereich Consulting wirklich wichtig ist.
Marie, Deine Karriere bei McKinsey begann im Jahr 2003 und seitdem bist Du zur Global Leaderin für Talentgewinnung aufgestiegen. Was hat Dich inspiriert, Dich auf Talententwicklung zu konzentrieren, und wie ist Dein Karriereweg verlaufen?
Als ich vor über 20 Jahren bei McKinsey angefangen habe, hatte ich definitiv nicht die Absicht bis heute zu bleiben. Ich werde oft gefragt, warum ich so lange geblieben bin. Dafür gibt es vorallem zwei Gründe: wegen der außerordentlichen Menschen, mit denen ich jeden Tag zusammenarbeiten darf, und wegen der Möglichkeit, permanent zu lernen und mich weiterentwickeln zu können. Ich bin als Beraterin in unserem Münchener Büro eingestiegen und habe mich schon früh mit People-Themen beschäftigt. Daraus hat sich eine Leidenschaft und später eine Karriere entwickelt habe. So habe ich mich schließlich innerhalb des Unternehmens in diese Richtung umorientiert.
Als Global Leader für Talentgewinnung bei McKinsey habe ich das Glück, meine Leidenschaft jeden Tag ausleben zu können, indem ich Menschen Chancen eröffnen kann. Mein Team spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewinnung der nächsten Generation von Führungspersonal bei McKinsey und wir achten darauf, dass diese Generation divers ist und unsere Gesellschaft reflektiert. McKinsey ist ein Ort, an dem jede:r die Chance hat, mit Leistungen zu überzeugen und persönlich zu wachsen, unabhängig vom Hintegrund. Wir engagieren uns zum Beispiel dafür, dass auch Talente mit schlechteren Startbedingungen die Chance erhalten, sich selbst und ihr Können zu beweisen.
Die digitale Welt verändert sich derzeit schnell. Wie müssen sich Deiner Meinung nach Unternehmen anpassen, um der sich entwickelnden Nachfrage gerecht zu werden – insbesondere im Bereich der Talentgewinnung?
Digitale Tools, fortgeschrittene Analysetechniken und künstliche Intelligenz (KI) haben die Art und Weise verändert, wie wir arbeiten. Digitale Technologien bringen mit nur ein paar Klicks globale Expert:innen und interdisziplinäre Fachleute zusammen, unabhängig davon, wo sie sich aufhalten. Dass Menschen in dieser Form zusammenarbeiten können, bedeutet jedoch noch lange nicht, dass sie das auch effizient tun. Es gibt aber Möglichkeiten, hybride Teamarbeit zu kultivieren, die auch funktioniert. So hat McKinsey beispielsweise ein Analysesystem geschaffen, das Daten unserer über 4.000 Teams sammelt, die wir zu jeder Zeit auf der ganzen Welt im Einsatz haben. Auf diese Weise gewinnen wir Erkenntnisse und testen und verbessern kontinuierlich Teampraktiken, Arbeitsweisen und Tools. Das ist Teamwork als Wissenschaft.
Angesichts der aktuellen Geschwindigkeit der Veränderungen ändern sich auch die Anforderungen an die benötigten Fähigkeiten permanent. Das wirkt sich natürlich auf die Personalgewinnung aus. Deshalb konzentrieren wir uns nicht nur darauf, was die Bewerber:innen gelernt oder welche Erfahrungen sie gesammelt haben, sondern auch auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und Fähigkeit, wie zum Beispiel sich Herausforderungen zu stellen und schnell zu lernen.
Für McKinsey ist es wichtig, Fähigkeiten zu beurteilen, die über die akademischen Abschlüsse hinausgehen. Welche Fähigkeiten sind die wichtigsten?
Diese Frage wird mir oft gestellt – wie ist der oder die optimale McKinsey-Kandidat:in? Die unmittelbare (und wahrscheinlich ein wenig frustrierende) Antwort ist – den oder diejenige gibt es nicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass in unserer Firma Ausnahmetalente viele verschiedene Ausprägungen haben können. Es gibt jedoch einige gemeinsame Qualitäten oder Fähigkeiten, die uns verbinden:
Wir suchen Menschen, die nach Erfolg streben und Veränderung bewirken wollen, die verstehen, dass Fehler Teil des Wachstums sind, und die optimistisch genug bleiben, um es nach einem Rückschlag erneut zu versuchen. McKinsey-Kolleg:innen lieben es, sich mit komplexen Problemen auseinanderzusetzen, für die es keine einfachen Antworten gibt. Wir stellen außergewöhnliche Problemlöser:innen ein, die gern intellektuell herausgefordert werden. Consulting ist ein Teamsport – nicht nur innerhalb von McKinsey, sondern Seite an Seite mit unseren Klienten. Das bedeutet, dass unsere Führungspersönlichkeiten über exzellente Fähigkeiten in der Interaktion mit Menschen verfügen müssen – um Vertrauen aufzubauen, das Beste aus anderen herauszuholen und – vielleicht das Wichtigste – um sich gegenseitig respektvoll herauszufordern und Veränderungen anzustoßen.
Wir suchen Menschen, die Herausforderungen angehen und dabei wissen, wo sie die größte Wirkung entfalten und am meisten wachsen können. Entrepreneure, die die Initiative ergreifen und es lieben, das Heft in die Hand zu nehmen. Diese Rolle passt nicht für jede und jeden und das ist auch in Ordnung so!
Welche innovativen Herangehensweisen setzt McKinsey zur Beurteilung der Fähigkeiten von Bewerber:innen ein, insbesondere in einem digitalisierten und technologisch fortgeschrittenen Umfeld?
KI hat Auswirkungen auf die künftigen Einstellungsprozesse, nicht nur für uns, sondern für alle Organisationen. Wir sehen, dass sich Organisationen neu ausrichten, indem sie folgende Fragen stellen: Wen stellen wir ein und warum? Wie stellen wir sicher, dass es im Einstellungsverfahren keine Vorurteile gibt? Wie bilden wir Talente aus, damit sie sich in dieser Zeit mit schnellen Veränderungen kontinuierlich weiterentwickeln?
Wir möchten, dass die Bewerber:innen erfolgreich sind, und das unabhängig von ihrem Hintergrund. Die entscheidende Frage dabei ist: Wie schauen wir über die die typischen Merkmale auf einem CV hinaus, um das Potenzial zu beurteilen? Auch hier haben wir unseren traditionellen Ansatz auf innovative Weise weiterentwickelt. Früher verwendeten wir eine Art klassischen Business-Test, um die Kenntnisse und Problemlösungsfähigkeiten von Bewerber:innen zu beurteilen. Es war uns jedoch wichtig, das Feld weiter zu öffnen und allen Bewerber:innen, auch solchen ohne „typischen“ Business-Hintergrund, die Chance zu geben, ihr Können unter Beweis zu stellen. So entwickelten wir ein Tool namens Solve, das auf immersive, spielbasierte Weise die Problemlösungsfähigkeiten beurteilt.
Dabei liegt der Fokus nicht nur darauf, die „richtige“ Antwort herauszufinden. Es wird auch beurteilt, wie sich jemand einer Herausforderung nähert und wie der Denkprozess abläuft, um diese zu verstehen sowie Lösungen zu identifizieren. Denn genau das wird bei der Arbeit für unsere Klienten notwendig sein.
Du bist Mitgründerin des Programms „Next Generation Women Leaders“. Welche Motivation stand dahinter und welche Erfahrungen habt ihr seit der Gründung gemacht?
Eines der Highlights in meiner beruflichen Laufbahn war tatsächlich die Gründung von „Next Generation Women Leaders (NGWL)“ im Jahr 2012. Dabei handelt es sich um eine Initiative von McKinsey mit dem Ziel, eine Plattform für talentierte Frauen zu schaffen und sie in inspirierenden Workshops, Diskussionen und Networking-Formaten zusammenzubringen. Wir bieten das NGWL-Programm für Frauen in den letzten zwei Jahren ihres Universitätsstudiums und weiblichen Fachkräften in den ersten Karrierestufen an. Der zentrale Vorteil besteht darin, einen Schritt zurückzutreten und zu überlegen, wie eine persönlich erfüllende Karriere gestaltet werden kann. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Stärke dieses Netzwerks hinsichtlich der Erfahrungen, die die Teilnehmerinnen mitbringen, und der gegenseitigen Unterstützung, die sie an den Tag legen. Ich liebe es, zu sehen, wie das Event immer noch auf große Resonanz stößt und Hunderte von Frauen jedes Jahr inspiriert. (https://www.mckinsey.com/next-generation-women-leaders/overview)
Warum ist echte Chancengleichheit von männlichem und weiblichem Talent in der heutigen Arbeitswelt immer noch keine Realität?
Die Studienreihe Women at the Workplace von McKinsey und der Organisation LeanIn.Org ist ernüchternd und zeigt, dass es weiterhin großer Anstrengungen bedarf, um inklusive und geschlechtergerechte Arbeitsplätze zu schaffen. Es fehlen auch noch weiterhin genug Role Models in Führungspositionen.
In diesem Sinne haben wir nicht nur unsere Talent-Quellen erweitert und werden das auch künftig tun, sondern wir passen auch unsere Arbeitsweise an, um mehr Frauen in unsere Führungskräfte-Pipeline zu bringen und dort zu halten. Wir sind stolz, dass wir bei McKinsey mittlerweile weltweit beinah 50%.
Warum ist es wichtig, dass McKinsey Talente mit unterschiedlichen Hintergrundsituationen einstellt, und wie trägt das zum Erfolg bei?
Das ist nichts Neues – seit der Gründung von McKinsey haben wir darauf geachtet, die besten Talente für uns zu gewinnen – unabhängig von Geschlecht oder Hintergrund. Unsere eigenen Untersuchungen haben immer wieder gezeigt, dass diverse Teams gerade in schnelllebigen und volatilen Zeiten nachhaltig bessere Lösungen hervorbringen. Auch unsere Daten zur Klientenzufriedenheit zeigen, dass nicht nur die Ergebnisse solcher Teams besser sind, sondern auch, dass die Arbeit mit ihnen wirkungsvoller und bereichernder ist und nicht zuletzt auch mehr Spaß macht. Aus einer rein pragmatischen Perspektive heraus kann jedes Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil daraus ziehen, wenn es in der Lage ist, das Feld so zu öffnen, um überall außergewöhnliche und diverse Talente zu finden.
Bei LinkedIn hast Du darauf hingewiesen, dass es für Dich wichtig ist, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit, Familie und Zeit für Dich selbst zu finden. Wie gehst Du damit um und was treibt Dich in Deiner Arbeit an?
Das ist für mich tatsächlich wichtig, allerdingsbekomme das Gleichgewicht nicht immer hin. Ein paar Dinge, die mir dabei geholfen haben, sind die folgenden:
- Mich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen, was mir Energie gibt. Für mich geht es nicht nur um Work-Life-Balance, sondern vor allem um meinen Energiehaushalt insgesamt.
- Mir meine Prioritäten klarzumachen: Was ist für mich nicht verhandelbar, was möchte ich um jeden Preis schützen?
- Meine Grenzen klar zu kommunizieren und Klarheit darüber zu schaffen.
- Nicht zu hart mir selbst gegenüber zu sein, wenn ich das Gleichgewicht zwischendurch nicht richtig hinbekomme.
Aber selbstverständlich hilft mir mehr als alles andere, dass ich liebe, was ich mache und ich viel Energie aus meiner Arbeit und den Menschen, mit denen ich arbeite, gewinne.
Hast Du sonst noch einen Ratschlag für junge Talente, die eine Karriere im Consulting anstreben?
Ich kann nur alle ermutigen, ein bisschen Zeit aufzuwenden, um die Unternehmen kennenzulernen, für die sich jemand interessiert und ein Gefühl für die Menschen zu bekommen, die dort arbeiten. Bei McKinsey sind wir sehr offen und kommunizieren sehr transparent, welche Fähigkeiten wir suchen und was wir im Verlauf des Vorstellungsgesprächs erwarten. Ein bisschen Zeit dafür aufzuwenden, lohnt sich mit Sicherheit.
Der wichtigste Tip ist natürlich: Einfach probieren und eine Bewerbung abschicken. Man hat nichts zu verlieren.