Der Begriff „Diversity“ wurde erstmals in der Schwarzen US-amerikanischen Frauen- und Bürgerrechtsbewegung der Sechzigerjahre geprägt. Damals ging es nicht nur um die repräsentative Vielfalt von Identitäten und Erfahrungen, sondern vielmehr um die institutionelle Umsetzung von umfassenden Maßnahmen gegen Diskriminierung. Leider rückt dieser Anspruch noch immer oft in den Hintergrund. Vor allem Dating-Shows bedienen sich besonders stark und bewusst westlich-kapitalistischer Schönheitsideale und heteronormativer Geschlechterbilder. Dies hat zur Folge, dass vor allem junge Menschen diese Normen als selbstverständlich annehmen. Daher ist es von großer Bedeutung, auch in Reality-TV-Formaten, die eine vermeintlich ungeskriptete Realität abbilden sollen, Themen wie Diversität einzubeziehen.
Die 25-jährige Studentin Onyi nahm an einem solchen TV Experiment teil und erlangte durch ihre Teilnahme an der deutschen Version der Netflix-Hitshow „Too Hot to Handle“ internationale Bekanntheit. Nach deren Ausstrahlung kritisiert sie nun öffentlich das Produktionsteam und bezeichnet sich selbst als „Diversity Bonus“. Sie betont, dass sie als Schwarze Frau von Anfang an weniger Chancen auf eine erfolgreiche Abbildung hatte, da die Teilnehmer*innen hauptsächlich an einem bestimmten, vorher abgefragten Typ interessiert waren: „blond und weiß“. Onyi erhielt daraufhin private Nachrichten von Zuschauerinnen, insbesondere von Schwarzen Frauen, die berichteten, dass die Show eher negative Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl hatte, anstatt unterhaltsam zu sein. Aus diesem Grund hat Onyi beschlossen, öffentlich Kritik an Netflix zu üben. Sie argumentiert, dass es nicht ausreicht, Schwarze Personen zu casten, sondern dass ihnen auch realistische Möglichkeiten gegeben werden sollten, in jeweiligem Format erfolgreich zu sein. Das bedeutet hier, dass es eine ausgewogene Anzahl an Personen geben sollte, die Schwarze Frauen attraktiv finden, um zu vermeiden, dass diese als nicht begehrenswert dargestellt werden.
In unserem Gespräch diskutieren wir Onyi’s Erfahrungen und Ansichten darüber, warum Diversity nicht nur eine oberflächliche Taktik sein darf um möglichst viele Zuschauer*innen anzulocken oder einem Shit-Storm zu entgehen, sondern eine authentische und überzeugende Umsetzung benötigt.
Liebe Onyi, erzähle uns doch erst mal ein wenig von dir und deiner persönlichen Reise. Was hat dich daran gereizt, bei einem TV-Dating Format mitzumachen?
Ich bin Onyi, 25 Jahre alt und studiere Zahnmedizin in der schönsten Stadt Deutschlands (Hamburg). Ich wollte bevor das Arbeitsleben so richtig beginnt etwas machen, was spannend ist und auf meiner geheimen Bucket list stehen so einige Sachen die ich machen möchte bevor ich 30 bin. Dort stand unter anderem, dass ich gerne an einem Dating-Format teilnehmen würde und so kam es dass ich mich für „Tropical Desire“ beworben habe.
Warum findest du, ist gerade bei einer Dating-Show im Vergleich zu anderen TV-Formaten das Thema Diversity so wichtig zu integrieren?
Dating-Shows dienen vor allem dem Entertainment der breiten Masse. Zu dieser Masse gehören in Deutschland inzwischen Menschen verschiedenster Herkunft. Es ist wichtig dies auch in Dating-Formaten widerzuspiegeln. Außerdem vermittelt es auch, dass nicht nur westliche Schönheitsideale als schön gelten und zeigt, dass es auch andere Schönheitsideale gibt.
Wurden Themen wie Rassismus und Diversität zwischen den Teilnehmer*innen offen diskutiert?
Zwischen den Teilnehmer*innen wurde Das Thema Rassismus/Diversität nicht diskutiert.
Wie hast du den Casting-Prozess für die Dating Show erlebt und denkst du, dass es dabei auch darum ging, bestimmte Typen abzufragen, um sicherzustellen, dass jede*r ein Match bekommt?
Ich hatte sogar das Gefühl, dass die Suche nach dem „Match“ einer der Kernpunkte des Casting-Prozesses war. Ich bin mir daher sicher, dass jede*r nach seinem/ihren Typ gefragt wurde um möglichst viele potentielle Matches zu finden.
Bei anderen TV-Formaten, wie Germany’s Next Topmodel wird mit dem Thema Diversity sogar schon ungeniert geworben. Hast du das Gefühl, die TV-Industrie hat damit auf die Kritik der letzten Jahre reagiert, oder hat es sich einfach dem postmodernen Zeitgeist angepasst?
Ich denke einfach, dass in der deutschen TV-Landschaft Diversity endlich angekommen ist, allerdings glaube ich auch, dass es für viele mehr „Zwang“ ist. Diversity sollte „natürlich“ kommen und mit voller Überzeugung umgesetzt werden und nicht einfach nur um möglichst viele Zuschauer*innen anzulocken oder einem Shit-Storm zu entgehen.
Du hast geäußert, dass du bereit wärst, bei amerikanischen und britischen Pendants von Too Hot Too Handle mitzumachen. Was machen diese anders als die deutsche Version des TV-Formats?
In England und den USA ist einfach die Gesellschaft an sich viel „bunter“ und fortgeschrittener. Natürlich spielen auch dort Rassismus und andere Themen immer noch eine Rolle, aber Diversity ist dort schon längst die Norm. Ich weiß nicht was es genau ist, aber Netflix UK/USA schafft es wirklich sehr gut die eben genannte „natürliche“ Diversity umzusetzen. Es macht wirklich Spaß zuzuschauen: Es wirkt nicht gestellt und man hat auch als Zuschauer*innen das Gefühl, dass schwarze Frauen in solchen Formaten genau die gleiche Chance haben wie andere Frauen. Bei der originalen Version des Formats hört man nicht ständig Sätze wie „Ich steh auf blond und blaue Augen“. Es steht nicht ständig nur ein Typ stark im Fokus. Was bei THTH Germany fast schon unangenehm war.Du hast auf social media offen Kritik an der Produktion geübt. Apps wie TikTok scheinen Bewusstsein für Themen wie Rassismus, Sexualität und Identität zu schaffen. Stimmst du dem zu? Sind wir aufsocial Media in einer Blütezeit der Repräsentation?
Social Media und vor allem TikTok hat es erst ermöglich, dass das Thema so stark in den Fokus gerückt ist. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, denn ohne Social Media hätte ich mich niemals getraut über das Thema zu sprechen.
Du hast angemerkt, dass dir vor allem beim anschließenden Schauen der Sendung aufgefallen ist, dass Diversität nicht richtig gelebt wurde. Wie hast du die Drehzeiten wahrgenommen?
Die Drehzeit war allgemein sehr angenehm. Man muss bedenken, dass mir schon vor dem Einzug in die Villa bewusst war, wie es schwarzen Frauen in deutschen Dating-Formaten meistens ergeht, deswegen war ich schon „vorbereitet“ auf die ganze Situation. Ich hab mich deswegen schon vorher damit abgefunden, dass der Fokus nicht auf meiner Story liegen wird. Trotzdem war es natürlich nicht schön das ganze dann letztendlich im TV zu sehen, weil ich dabei an alle schwarzen Frauen gedacht habe, die das gucken, weil ich genau wusste wie sie sich fühlen würden, wenn sie das schauen.
Was sind nächste Projekte und worauf freust du dich besonders?
Meine nächsten Projekte sind ganz spannend, allerdings erst mal geheim. Aber ich möchte auf jeden Fall noch dieses Jahr ganz viel von der Welt sehen, das steht fest!
Welche Message möchtest du gerne nach Außen senden?
Meine Message geht speziell an schwarze Frauen da draußen: Lasst euch von solchen Formaten nicht irritieren! Es gibt Millionen Männer da draußen die Schwarze Frauen vergöttern. Ich war vorher noch nie in meinem Leben in so einer unangenehmen Situation was Dating betrifft und das beweist, dass solche Formate nicht unbedingt die Realität für schwarze Frauen darstellen.