Virginia Woolf spricht in ihrem 1929 erschienenen Essay „Ein Zimmer für sich allein“ darüber, dass gewisse Bedingungen von der Gesellschaft erhört werden müssen, damit auch weiblich gelesene Autorinnen Werke schaffen können. Zum einen fünfhundert Pfund im Jahr und zum anderen ein eigenes Zimmer.
In diesen Punkten wäre Frau Woolf heutzutage wahrscheinlich entzückt, denn so gesehen haben sich weibliche Personen mittlerweile mehr als „ein Zimmer für sich allein“ geschaffen. Zimmer wurden geschaffen in der Gestalt von Verbänden, Netzwerken, Parteien und Aktivismus. Über die Jahre wurden elementare Werte für die gesamte Gesellschaft wie Gleichheit, Demokratie, Menschenrechte und Freiheit neu definiert. Dies geschah zu einem großen Anteil durch das große Echo der ersten, zweiten und dritten Frauenbewegungen, die dadurch einen Dialog an die Oberfläche brachten und wirkungsreich zur Modernisierung westlicher Gesellschaften beigetragen haben.
Doch der Feminismus kennt wie die Gesellschaft keinen Stillstand, entwickelt sich weiter, und die binäre Frauendebatte ist somit intersektionalen Fragen gewichen, die alle marginalisierten Personengruppen in Judith Butler’s eingeforderten Raum einladen. Dazu gehören insbesondere Trans*Personen, queere Menschen, BiPoC’s und Menschen mit Behinderung.
Zu meinen, der Kampf um Geschlechtergleichheit sei beendet, ist ein vom Patriarchat geförderter Trugschluss. Noch immer, besonders für eben benannte Gruppen, fängt die Schlacht gerade erst an. Werkzeuge müssen verändert, die Rüstung undurchlässiger und der Kampfgeist geschärft werden. Denn weibliche Personen sind zwar mittlerweile in mehr Räumen sichtbar, die Problemstellung jedoch liegt tiefer und lässt den ambivalenten Begriff der Sichtbarkeit genauer prüfen. Denn der Terminus Sichtbarkeit hängt vor allem mit der Frage nach Subjektivität, gesellschaftlicher Macht und Herrschaftsverhältnissen zusammen: Welche Frauen werden wie sichtbar und auf wen fällt wie viel Licht, während andere im Dunkeln gelassen werden? Diese Fragen beruhen darauf, dass es eine große Diskrepanz zwischen der Sichtbarkeit weißer heterosexueller CIS-Frauen und der Sichtbarkeit von u.a. Trans*Frauen und BIPoC’s gibt. Somit kann und darf Sichtbarkeit nicht das alleinige Ziel des Feminismus sein, denn der tatsächliche Erfolg bedeutet nicht, eine homogene Gruppe weiblicher Personen einfach nur zu sehen, sondern vielmehr, in welchem Kontext und wie intersektional wie wir sie sehen.
Welche weiblichen Menschen werden also gezeigt, wie werden sie dargestellt in Filmen, Medien, Wirtschaft und Politik. Wer wird unsichtbar, um normschöne CIS-Frauen als auch Männer sichtbar zu machen? Perspektiven wollen erweitert werden, internalisierte Misogynie und Feindlichkeit auch innerhalb von CIS Frauen diskutiert werden. Denn Feminismus bedeutet Solidarität, während transfeindliche Narrative in der Gesamtgesellschaft vermehrt Anklang finden, Mysoginie in Denken und Handeln internalsiert ist und queere Lebenspartner*innenschaften noch immer stark stigmatisiert sind.
Die Vision des Feminismus ist also keine „weibliche Zukunft“. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, aber mit Intersektionalität. Dafür braucht es alle in diesen Räumen und alle gemeinsam in feministischen Kämpfen.
We need: Each for Equal, denn nur dann sind wir wahrhaftig auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichberechtigung.