Worauf kommt es beim Jobsharing an? Wir haben mit Anni Salzer und Caren Laib von Vodafone über so ein Arbeitsmodell gesprochen. Die beiden teilen sich nämlich seit Juli eine Stelle und berichten von ihren ersten Erfahrungen bei der Umstellung, nützlichen Tools und der Zusammenarbeit mit ihrem Team.
GDW: Liebe Caren, liebe Anni, stellt euch bitte kurz vor. Wer seid ihr, wie seid ihr zu Vodafone gekommen und was macht ihr heute dort?
Anni: Ich bin seit zehn Jahren bei Vodafone und damals durch das Traineeprogramm hierhergekommen. Aktuell teile ich mir mit Caren eine Rolle: Gemeinsam sind wir als Abteilungsleiterinnen für Kundenprojekte zuständig. Ansonsten bin ich Mutter von zwei Kindern.
Caren: Da sieht man schon die ersten Parallelen in unseren Lebensläufen – Ich bin ein Jahr länger bei Vodafone und ebenfalls über das Traineeprogramm hierhergekommen. Nach dem Trainee bin ich nach zwei Jahren Gruppenleiterin und nach weiteren vier Jahren Abteilungsleiterin geworden. Dann folgte meine Elternzeit und jetzt teile ich mir mit Anni eine Stelle. Und zu Hause – da habe ich einen kleinen Rabauken.
Was war für euch die wichtigste Motivation, jeweils in Teilzeit zu gehen?
Anni: Für mich waren es eher private Gründe. Zum einen habe ich nach den eineinhalb Jahren, in denen ich Caren in Vollzeit vertreten habe, gemerkt, dass ich gerne wieder mehr Zeit für meinen Mann und meine Kinder haben möchte. Zum anderen bauen wir gerade ein Haus, was auch viel Zeit beansprucht. Da hilft es auf jeden Fall, mehr Zeit für solche privaten Projekte zu haben.
Caren: Als ich aus der Elternzeit zurückkam, wollte ich mehr Zeit für meine Familie und vor allem für meinen kleinen Mann haben. Parallel habe ich in meiner Elternzeit ein kleines Handmade-Label mit selbst genähter Kinderkleidung gegründet. Auch das möchte ich an meinen freien Tagen weitermachen.
Wie habt ihr euch kennengelernt und wie seid ihr auf die Idee gekommen, euch die Stelle zu teilen? Gab es Vorbilder?
Caren: Wir kennen uns tatsächlich schon aus der Trainee-Zeit. Als ich dann in Elternzeit gegangen bin und Anni meine Vertretung übernommen hat, sind wir im Austausch geblieben. Da haben wir gemerkt, dass wir uns gut verstehen und auch beruflich harmonieren. Und dann war es Schicksal, dass genau zu der Zeit, als wir über meine Rückkehr ins Berufsleben sprachen, eine Infosession stattfand. In dieser haben zwei Kolleginnen über ihre Erfahrung mit dem Vodafone-Jobsharing gesprochen. Danach waren wir überzeugt: Das ist genau das richtige Modell für uns… und haben uns näher damit beschäftigt.
Wie lange teilt ihr euch eure Stelle nun schon und wie sind eure ersten Erfahrungen damit?
Anni: Es fühlt sich so an, als würden wir uns die Stelle schon seit fast zwei Jahren teilen, also seit November 2020. Das heißt ab dem Zeitpunkt, als ich Caren in ihrer Elternzeit vertreten habe. Damals habe ich Carens Job übernommen und in Vollzeit gearbeitet. In dieser Zeit haben wir uns zu den wichtigen Themen sehr eng ausgetauscht – das war „Jobsharing im kleinen Format“. Ganz offiziell teilen wir uns die Rolle aber erst seit Juli dieses Jahres. Das Onboarding hat einen Monat gedauert und in der Zeit wurden wir durch einen externen Coach begleitet. Ergänzend hatten wir zwei Team-Workshops, um das ganze Team mit auf die Reise zu nehmen. Und ab August habe ich dann meine Zeiten reduziert und wir sind in das Sharing-Modell gegangen, bei dem wir uns die Tage aufteilen. Damit startete unsere Lernphase. Hier geben wir uns bewusst Zeit, um uns in die neue Rolle einzufinden. Diese Phase soll bis Anfang nächsten Jahres laufen.
Wie muss man sich Jobsharing in diesem Bereich ganz konkret vorstellen? Wie genau teilt ihr euch die Arbeitswoche auf? Gibt es spezielle Tools, die ihr nutzt?
Caren: Jobsharing kann man auf viele Arten organisieren. Wir haben uns dafür entschieden, dass wir die Tage untereinander aufteilen und jede von uns auch freie Tage hat. Ich arbeite von Montag bis Mittwoch ganztags, und Anni von Mittwoch bis Freitag. Der Mittwoch ist unser Sharing-Tag, an dem wir gemeinsam an Themen arbeiten, Termine mit dem Team haben und inhaltlich Dinge besprechen. Durch das Coaching wurde uns klar, dass wir weder Mitarbeitende noch Themen aufteilen, sondern beide für alle Themen und alle Mitarbeitenden verantwortlich sind.
Wir haben viele neue Tools kennengelernt, etwa das Kanban-Board, um unseren Workflow zu organisieren, und „To-dos“ oder MS Notes, um unser Wissensmanagement zu dokumentieren. Unsere Übergaben machen wir via Sprachnachricht. Außerdem nutzen wir einen gemeinsamen E-Mail-Account und Kalender.
Schafft ihr es, eure freien Tage wirklich freizuhaben?
Anni: Es hilft schon sehr, zwei ganze Tage frei zu haben. Das erfahren wir auch im Austausch mit dem anderen Tandem-Paar, das es bereits bei Vodafone gibt und bei der sich ebenfalls zwei Mitarbeitende eine gemeinsame Stelle teilen. Vor allem das Blocken ganzer Tage trägt dazu bei, die freien Tage einzuhalten. Allerdings machen wir momentan noch Ausnahmen. Es kommt z. B. vor, dass wir bestimmte Termine oder Führungskreis-Besprechungen nur zu zweit wahrnehmen können. Ich glaube, in der Hinsicht können wir uns noch verbessern.
Wie läuft das mit der Kommunikation? Ihr habt ja eine gemeinsame E-Mail-Adresse. Gibt es da keine Verwirrung, wenn unterschiedliche Personen antworten?
Caren: Wir haben zu Beginn eine gemeinsame E-Mail-Adresse angelegt und dafür Regeln definiert. So gibt es z. B. bestimmte Markierungen, um E-Mails als „To-do“ zu kennzeichnen oder Ordner, in die wir die E-Mails einsortieren, sodass beide einen guten Überblick haben. Außerdem setzen wir uns gegenseitig auf CC, damit die andere immer sehen kann, ob eine E-Mail schon beantwortet wurde. Nichtsdestotrotz ist es schon passiert, dass wir gleichzeitig auf eine E-Mail geantwortet haben. Das war nicht schlimm und in dem Fall haben wir uns sogar gefreut, denn wir haben gesehen, dass unsere Antworten inhaltlich gleich waren.
Jobsharing beruht zu einem großen Teil auf Vertrauen und einer guten zwischenmenschlichen Chemie. Wie ähnlich seid ihr euch? Bzw. was macht ihr, wenn ihr mal unterschiedlicher Meinung seid?
Anni: Die Chemie muss definitiv stimmen und gegenseitiges Vertrauen ist sehr wichtig. Wir haben während der Phase der Elternzeitvertretung schon gemerkt, dass bei uns beides vorhanden ist. Während der Onboarding-Phase im Rahmen der Coaching-Sessions wurde uns zudem klar, dass wir sehr ähnliche Werte teilen, z. B. Teamspirit, gute Teamarbeit, Transparenz, Offenheit und eine offene Kommunikation. Natürlich gibt es auch Unterschiede – die sehen wir aber als Chance, voneinander zu lernen. Caren ist z. B. eine absolute Netzwerkerin. Ich hingegen merke, dass ich sehr visionär und strategisch Themen angehe. Sicherlich gibt es Themen, bei denen wir verschiedene Meinungen haben. In diesen reden wir offen darüber, bis wir eine Lösung gefunden haben – das hat bisher immer funktioniert.
Welche Rückmeldung bekommt ihr bislang aus dem Team? Bzw. hat sich euer Verhältnis zum Team durch das Jobsharing verändert?
Caren: Zu Beginn hatte das Team Bedenken, dass wir alles untereinander ausmachen und die einzelnen Teammitglieder dadurch weniger Verantwortung haben. Das haben wir ernst genommen und binden unser Team bestmöglich ein. Dazu zählt auch, dass wir uns alle vier Wochen mit dem Team vor Ort treffen und schauen, wie es allen geht und welche Dinge nicht so gut laufen. So bleiben wir im Austausch und verlieren das Feedback der Kolleginnen und Kollegen nicht aus den Augen.
Es gibt viele Gründe, die für Jobsharing sprechen. Was sind aus eurer Sicht die wesentlichen Vorteile von Jobsharing?
Anni: Im Wesentlichen mehr Zeit und Energie für private Projekte – in unserem Fall etwa der Hausbau oder der Aufbau eines Start-ups. Und dann natürlich mehr Zeit für die eigenen Kinder. Je nachdem, wie die persönliche Situation ist, kann die Zeit natürlich auch für Hobbys, Sport, die Gesundheit, die Pflege von Angehörigen oder den Aufbau einer nebenberuflichen Selbstständigkeit genutzt werden.
Auch den Erfahrungsaustausch, der sich durch das Teilen von Ausgaben ergibt, sehe ich als Vorteil. Gerade bei strategischen Themen ist es gut, zwei unterschiedliche Perspektiven zu haben, was tatsächlich zu besseren Ergebnissen führt. Da sehen wir einen großen Mehrwert – nicht nur individuell und privat, sondern auch für das Unternehmen. Zu zweit generiert man einen größeren Output. Darum gilt hier nicht eins plus eins ist zwei, sondern: eins plus eins ist drei!
Gibt es auch Kompromisse, die man eingehen muss, wenn man sich für Jobsharing entscheidet?
Anni: Auch wenn es offensichtlich ist: Zunächst einmal bei der Stundenzahl, denn Jobsharing ist mit der Reduzierung der eigenen Stundenzahl verbunden – das möchte nicht jeder. Vodafone hat zum Beispiel einen Umfang von 48 Stunden für uns festgelegt, von dem jeder 24 Stunden übernimmt. Mit der reduzierten Stundenanzahl geht dann natürlich auch ein Teilzeitgehalt einher, das geringer ist.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass Menschen mit einem ausgeprägten Ego sich mit Jobsharing schwerer tun – denn beim Sharing teilt man sich nicht nur die Zeit, sondern auch die Verantwortung.
Und schließlich merken wir beim Jobsharing, dass es uns weniger als einzelne Personen gibt, die individuelle Entscheidungen treffen, sondern nur noch gemeinsam. Im Vordergrund steht also unsere Führungsfunktion zu zweit. Es zählt der Mehrwert, den wir für unser Team und das Unternehmen generieren.
Es ist das erste Mal für euch, dass ihr euch eine Stelle teilt, insofern lernt ihr noch viel. Aber was muss denn auf der anderen Seite ein*e Arbeitgeber*in lernen, wenn Jobsharing als Option infrage kommt?
Caren: Auch für den Arbeitgeber ist es neu und so muss er definitiv auch dazu lernen. Wenn wir Vodafone betrachten, sind wir nun das zweite Jobsharing-Paar. Da ist es selbstverständlich, dass alle lernen und investieren müssen: nicht nur wir, sondern auch die Firma. Wenn sich zwei Leute einen Job teilen, dann arbeiten sie gemeinsam nicht 40, sondern 48 Stunden. Das heißt, das Unternehmen investiert finanziell gesehen etwas mehr, es bekommt unserer Meinung nach aber auch viel dafür zurück. Gerade am Anfang eines neuen Jobsharing-Tandems bedarf es Zeit für das Coaching, für die Übergabe und die Lernphase, damit das Modell funktioniert. Und auch im weiteren Verlauf sollte auf die persönliche Entwicklung jeder*s Einzelnen des Paares geachtet werden.
Grundvoraussetzung ist, dass die vorgesetzte Führungskraft offen fürs Jobsharing ist. Sollte hier Unsicherheit aufkommen, ist es wichtig, viel zu kommunizieren und transparent aufzuzeigen, dass durch den geteilten Job keine Nachteile für das Unternehmen entstehen. Im Gegenteil: Jobsharing bedeutet einen Mehrwert. Gerade weil es so wichtig ist, diese neuen Herausforderungen zu erkennen und zu lösen, wird der gesamte Prozess intensiv durch die HR-Abteilung begleitet.
Wo seht ihr das größte Verbesserungspotenzial? Gibt es etwas, das noch nicht optimal funktioniert?
Anni: Vieles ist neu – das wird sich aber finden. Allem voran muss die IT-Infrastruktur angepasst werden. Ein Beispiel: Im bisherigen System war es bislang nicht vorgesehen, dass einem Team zwei Führungskräfte zugeordnet werden können. Darum mussten wir uns zunächst für eine Führungskraft entscheiden, die jetzt im System erscheint. Bestimmte Dinge lassen sich derzeit nur übers Handy erledigen, aber noch nicht am PC. An neuen Lösungen wird derzeit gearbeitet.
Ihr seid ein Stück weit Vorreiter mit dem Sharing-Modell, das ihr erprobt. Welche Tipps könnt ihr zukünftigen Duos mit auf den Weg geben?
Caren: Seid gerade zu Beginn mutig und probiert euch aus. Denn oft sind Ängste unbegründet und ihr könnt stets dazulernen. Nehmt euch Zeit, um euch kennenzulernen und das Sharing-Modell zu definieren. Auch Zeit für das Coaching ist wichtig, um bestimmte Herangehensweisen und Arbeitsweisen festzulegen, sodass man mit einem sicheren und guten Gefühl startet. Dann ist es wichtig, euer Team und eure Führungskraft mitzunehmen, damit ihr gut abgestimmt im neuen Umfeld handeln könnt. Auch solltet ihr offen für neue Arbeitsweisen, Tools oder Strukturen sein. Mein wichtigster Tipp ist: Das Jobsharing sollte auf freiwilliger Basis passieren und beide sollten gleichermaßen motiviert sein, das Modell gemeinsam erfolgreich umzusetzen.