Diversity Expert: What does it take?
Interview mit Christine Epler, Head of HR-Strategy, Innovation & Diversity bei der Deutschen Bahn
Voll angesagt: In den USA findet seit fünf Jahren ein Rush auf Diversity Experts statt. Von 2015 bis 2020 ist die Anzahl von „Heads of Diversity“ um 107 %, „Directors of Diversity“ um 75 % und „Chief Diversity Officers“ um 68 % gestiegen (LinkedIn, 2020). Auch in Deutschland setzt sich der Trend zunehmend durch.
What does it take? Was brauchen angehende Talente im Vielfaltsmanagement? Was brauchen Unternehmen auf ihrer Reise zu mehr Vielfalt?
Das haben wir Christine Epler gefragt. Seit 2018 ist sie Diversity-Beauftragte bei der Deutschen Bahn. Zuvor verantwortete sie unter anderem Personal- und Führungskräfteentwicklung in Konzernen. Darunter Deutsche Telekom und Deutsche Post. Menschen, Transformation, Zukunft sind ihr Steckenpferd. Hier kommen ihre Insights!
Christine, was liebst Du an Deinem Job als Diversity Expert im Konzern?
Dass ich mich mit Themen, die in der gesellschaftlichen Debatte stattfinden, auch beruflich auseinandersetzen kann. Mir ist Gerechtigkeit wichtig. Sie wird mir auch immer wichtiger, je älter ich werde. Ich will, dass verschiedene Lebensentwürfe gelten können. Dass Themen wie Toleranz und Antirassismus ihren Platz auch in Unternehmen finden. Mich begeistert, dass sich zunehmend globale Konzerne zu Vielfalt und Toleranz positionieren. Dass ich mit meiner Arbeit etwas bewirken kann, ist eine wahre Triebfeder!
Welcher Moment gab Dir den Ausschlag für eine Karriere als Diversity Expert?
Es war ein AHA-Moment – der ist schon eine ganze Weile her bei einem anderen Arbeitgeber. Ich lud mit Kolleg*innen zu einem Workshop ein. Thema „Unconscious Bias“. Damals war Diversity noch nicht so stark im Fokus. Wir formulierten die Einladung im generischen Femininum mit dem Zusatz „*natürlich sind Männer mitgemeint“ – und verschickten sie an alle. Es kamen aber fast nur Frauen! Einige Kollegen sagten mir im Nachhinein, sie wären auch gern gekommen. „Aber wir waren nicht eingeladen“. Das war’s. Ich dachte mir: ‘Wenn das generische Femininum den Eindruck erzeugt, Männer seien nicht mitgemeint, wie steht es dann um das generische Maskulinum?’. Mir war klar, es gab eine Menge zu tun. Und diese Veränderung wollte ich mitgestalten.
Mitgestalten zu wollen, Zukunftsthemen innovativ zu denken, die Vorstellungskraft zu nutzen – sind das Must-Haves für Dich als Diversity Expert?
Ja, ich gestalte gern und agiere sehr gut in Umfeldern, die mir auch den Raum dafür geben. Transformation, Entwicklungen, Innovationen, mir vorzustellen, wie die Zukunft aussehen könnte – das ist genau mein Ding. Dazu brauche ich im Team aber auch unbedingt Menschen, die Ideen konkretisieren und in die nächsten Schritte übersetzen.
Was rätst Du angehenden Talenten: Welche Skills verlangt der Job von Diversity Experts? Welche Eigenschaften vereinfachen ihn?
Es gibt einige, aber folgende finde ich persönlich besonders wichtig:
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Kenne die Konzernstrukturen und -regeln.
Sofern Du vorhast, Diversity im Konzern voranzutreiben. Erst, wenn Du sie verstehst, kannst Du sie auch nutzen. Ein Beispiel: In einer kleineren Agentur kann das Commitment für Vielfalt leicht untereinander abgestimmt werden. Im Konzern sollte es aber niedergeschrieben und in der übergeordneten Unternehmensstrategie verankert werden. Das verlangt auch eine andere Herangehensweise.
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Entwickle strategische Konzepte.
Kurzfristige und langfristige. Ich bin selbst Strategin und rate deswegen jedem angehenden Talent dazu. Mache zunächst die Multiplikator*innen für Diversity innerhalb des Unternehmens ausfindig. Beispiel: In Deutschland arbeiten mehr als 214.000 Menschen bei der DB. Es gibt interne Netzwerke über viele Abteilungen und Standorte hinweg. Die gilt es als Diversity Expert zu finden und dann Deine Abteilung mit ihnen zu verzahnen. Mit ihnen wirst Du Arbeitsprogramme gestalten, Budgets verhandeln, Events und Initiativen aufsetzen. Gut, wenn Du dafür schon vorab eine Strategie entwickelt hast!
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Ein Gespür für Dynamiken.
Welche Themen sind für die Menschen jetzt gerade relevant? Was bewegt sie? Was interessiert sie? Wie kannst Du diese Themen aufgreifen und in Diversity-Maßnahmen einfließen lassen? Es ist wichtig, Strömungen rechtzeitig aufzunehmen, Themen aufzufangen und in einen offenen Diskurs bringen zu können. Beispiel Pandemie. Wir alle haben ihren Effekt gespürt. Sie hat solidarisiert, aber auch sehr gespalten. Auch in Themen wie Home Office, Hybrid oder “Back to Office”. Es gibt Redebedarf, der unweigerlich mit Diversity-Maßnahmen zusammenhängt.
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Es ist entscheidend, wie Du den Diskurs führst.
Warum? Damit Du auch in kontrovers diskutierten Themen inhaltlich überzeugst und Akzeptanz für einzelne Themen gewinnst. Für mich war es wegweisend, zu lernen, wann ich mit welchen Stakeholdern spreche. So kannst Du eine Entscheidung gut vorbereiten und Multiplikator*innen für Deine Themen gewinnen. Schau Dir dafür die Erfolgsmerkmale anderer ab. Und lass Dir professionellen Rat geben: Ich bin eine große Befürworterin von Coaching.
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Bewahre Dir die Offenheit für die Meinung anderer.
Nehmen wir die Gendern-Debatte: Ich sitze im Bahn-Tower in Berlin-Mitte und finde Gendern richtig. Im Stellwerk in einer Region sieht das aber vielleicht anders aus. Eine gefestigte Haltung ist wichtig – ebenso aber, anderen zuzuhören. Zu verstehen, woher sie kommen, was für Sorgen oder Befürchtungen sie haben. Dennoch gibt es bei Vielfaltsthemen eine rote Linie – ganz klar. Für mich ist es Rassismus. Da gilt null Toleranz.
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Was sind Erfolgserlebnisse aus Deiner Arbeit?
Beispielsweise wenn Kolleg*innen mir zurückspielen, dass ein Workshop ihnen neue Denkanstöße gegeben hat. Ich erinnere mich lebhaft an einen Moment mit einer Kollegin – es war nach dem CSD 2019, als die DB zum ersten Mal mit einem eigenen Wagen anrollte. Die Kollegin, die bereits 20 Jahre bei der DB war, sagte mir „Jetzt fühle ich mich zugehörig“. Die Argumente, die Diversity mit sich bringt, sind messbar – emotional und in KPIs. Das eine bedingt das andere. Fühlen sich Menschen und Teams zugehörig, sind sie auch gewillt, sich einzubringen, ihre Ideen und Kraft einfließen zu lassen. Das zahlt letztendlich auch in den Unternehmenserfolg ein.
Woran arbeitest Du aktuell? Welches Projekt liegt Dir besonders am Herzen?
Unsere konzernweite Initiative Einziganders. Sie umfasst die Diversity-Dimensionen ethnische Herkunft, Geschlecht, Generation, Religion, sexuelle Orientierung, physische & psychische Fähigkeiten und Diversity of Minds. Sprich: Deine Beschaffenheit, Persönlichkeit, Werte und Erfahrungen, Kompetenzen, Deinen Lebensentwurf, Lern- und Arbeitsstil. Ob Du eher intro- oder extravertiert bist, gegenwarts- oder zukunftsorientiert und vieles mehr. Ich bin fasziniert von Typologien! Und achte auch sehr stark auf sie, wenn ich Führungspersönlichkeiten und Teams weiterentwickle oder völlig neue Teams zusammenstelle. Meine Leitfragen sind: Was können wir schon richtig gut? Welche Facetten fehlen uns noch?
Ein abschließender Rat für Unternehmen: Was ist in Deinen Augen eine Grundvoraussetzung, damit sie Vielfalt etablieren können?
Commitment. Und zwar Top-Down. Es ist ausschlaggebend, wie und wo das Thema Diversity im Unternehmen aufgehängt wird. Wenn sich die Geschäftsführer*innen nicht zu Diversität bekennen, kann ein kleines Diversity-Team noch so gute Ideen haben – es wird sich aufreiben. Bei der DB haben wir Personalstrategie, Diversity und Innovation in einer Abteilung zusammengefasst und die Initiative Einziganders. direkt in der Dachstrategie der DB „Starke Schiene“ verankert. Meine Erfahrung zeigt: Gilt das Vielfaltsbekenntnis auf oberster Ebene, sind auch die Weichen für Diversität bestens gestellt!
Vielen Dank für Deine Insights, Christine.